Das Bühnentier
In Dortmund singt Sopran-Shootingstar Asmik Grigorian Lieder von Sergej Rachmaninow, in denen sich allerhand Operndramatik versteckt. Ideal für die Sängerin mit dem dramatischen Gespür.
Asmik Grigorian war bereits gut im Geschäft, sang zentrale Rollen ihres Fachs an großen internationalen Häusern und bei nicht weniger großen Festivals. 2016 etwa war sie eine fesselnde Tatjana an der Komischen Oper in Berlin in Barrie Koskys Inszenierung von Tschaikowskys »Eugen Onegin«, die tief in die Abgründe der Figuren blickte. 2017 gab die in Litauen geborene Sopranistin dann ihr Debüt bei den »Salzburger Festspielen« als von Publikum und Kritik gefeierte Marie in Alban Bergs Büchner-Oper »Wozzeck«. Nur ein Jahr später kehrte sie nach Salzburg zurück – und dieser Festspielsommer 2018 veränderte alles.
Was die Sängerin mit den intensiv blau-grauen Augen als Salome auf die riesenhafte Bühne der Felsenreitschule stellte, war nichts weniger als eine Sensation: ein kolossaler Triumph, der Asmik Grigorian über Nacht die höchsten Sängerweihen verlieh. In der düster-archaischen Inszenierung von Romeo Castellucci war sie eine Salome von raubtierhafter Geschmeidigkeit, deren Gefährlichkeit sich in »monströsen« Spitzentönen entlud, die das Nervenkostüm der Festspielbesucher auf eine intensive Zerreißprobe stellte. Am Ende gab es frenetischen Beifall: »Asmik Grigorian wird an diesem Abend gefeiert wie eine kleine Heilsbringerin. Das liegt daran, mit welch gleißender Unschuld, metallischem Schmelz und Unvoreingenommenheit sie singt. Großartig ist das«, war im Fachmagazin »Oper!« darüber zu lesen.
Seitdem hat sie ihrem Repertoire weitere Rollen hinzugefügt, oft in ebenfalls spektakulären Aufführungen. Darunter eine Produktion von Janáčeks »Jenůfa«, mit der Asmik Grigorian nicht nur ihr Rollendebüt gab, sondern gleich auch ihren Einstand am Royal Opera House in London feierte: Erneut fesselte die Sängerin mit ihrer unglaublichen Bühnenpräsenz und machte das Aufeinandertreffen mit der Küsterin von Karita Mattila, einst ebenfalls eine gefeierte Jenůfa, zu einem veritablen Opernkrimi. »Die Verletzlichkeit von Mattilas Küsterin kollidiert unerwartet mit Grigorians nervig-kraftvoller Darstellung und stimmlicher Kante, ihrer Bereitschaft, der Erzählung auch in ihrer Hässlichkeit zu folgen«, befand ein Kritiker nach der Aufführung im letzten Jahr.
Erfolge wie diese passieren nicht einfach, sie erfordern harte Arbeit, Mühe, Disziplin, dazu das nötige Quäntchen Glück. Im Fall von Asmik Grigorian ist all das vorhanden, dazu waren die Voraussetzungen für eine derart erlesenen Karriere auch nicht die schlechtesten, ist sie doch die Tochter zweier Sänger, ist also von Kindesbeinen an vertraut mit dem Business. »Da ich in einer Opernfamilie aufwuchs, hatte ich den richtigen Klang immer im Kopf«, sagte sie in einem Interview. »Die Familie war sozusagen mein TÜV – und so wird es bleiben.« Die Mutter war ihre erste Gesangslehrerin, am Nationalen M. K. Čiurlionis Kunstgymnasium studierte sie dann Klavier und Chorleitung, anschließend Gesang an der Litauischen Akademie für Musik und Theater. Nach ersten Erfolgen in den baltischen Staaten folgten schnell Engagements auf internationalen Bühnen, was nicht ohne Folgen blieb, wie sich die Sängerin erinnert: »Weil ich ziemlich früh auf die Bühne gelassen wurde, hatte ich noch einiges nachzuholen. Nur: Wenn man schließlich über 30 ist, bleiben die Probleme nicht aus. Ich musste noch einmal von vorne anfangen.« Rat holte sie sich dieses Mal nicht bei ihrer Mutter, sondern bei Margarita Gruzdeva, die auch den erfolgreichen dramatischen Tenor Aleksandrs Antonenko ausgebildet hat.
Im Frühjahr 2022 veröffentlichte Asmik Grigorian ihr erstes Solo-Album – und überraschte erneut. Denn die vor allem auf der Opernbühne gefeierte Sängerin hat sich für ihr CD-Debüt ein reines Liedprogramm ausgesucht. Unter dem Titel »Dissonance« versammelt es Lieder von Sergej Rachmaninow, die der oft für bestimmte Sängerinnen oder Sänger komponierte; der bekannteste unter ihnen ist der legendäre Bassist Fjodor Schaljapin. Besonders an den Liedern des vor allem für seine Klaviermusik und Sinfonik bekannten Rachmaninow sind der expressive, oft dramatische Ausdruck und ein enorm farbiger, dazu nicht selten virtuoser Klaviersatz, der viel mehr ist als eine reine Begleitung. Auch hier kann das »Bühnentier« Grigorian mit seiner stimmlichen und physischen Präsenz zeigen, was in ihm steckt, verlangen die Lieder doch nach einer flexiblen Stimme, die auch die nötigen Kraftreserven haben muss, um dem Klavier in jeder Hinsicht Paroli bieten zu können. Mit Lukas Geniušas hat sie dabei – sowohl auf CD als auch im Konzert in Dortmund – einen Partner an ihrer Seite, der auch als Solopianist mit der pianistischen Jahrhundertbegabung Rachmaninow bestens vertraut ist.
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- Mitwirkende
- Mitwirkende
- Asmik Grigorian Sopran
- Lukas Geniušas Klavier
- Programm
- Programm
- Peter Iljitsch Tschaikowsky Ausgewählte Lieder
- Peter Iljitsch Tschaikowsky Romanze f-moll op. 5
- Peter Iljitsch Tschaikowsky Scherzo humoristique op. 19 Nr. 2
- – Pause –
- Peter Iljitsch Tschaikowsky Dumka op. 59
- Sergej Rachmaninow Ausgewählte Lieder
- Sergej Rachmaninow ›Ya ne prorok‹ (›Ich bin kein Prophet‹) aus Zwölf Lieder op. 21 (Zugabe)
- Sergej Rachmaninow ›Ne ver' mne drug, kogda v izbytke gorja‹ (›Glaube es nicht‹) aus Zwölf Romanzen op. 14 (Zugabe)
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