Konzerthaus Dortmund

Ihre gemeinsame Bruckner-Reise führt Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker in diesem Jahr nach Dortmund – nur wenige Tage, nachdem sich der Geburtstag des Komponisten zum 200. Mal jährt.

Fast 20 Jahre ist es her, doch das Erlebnis ist noch genauso präsent wie damals. Christian Thielemann dirigierte die Münchner Philharmoniker. Auf dem Programm: Bruckners 7. Sinfonie. Und dann passierte es, im zweiten Satz, diesem gewaltig dahinströmenden Adagio, ein dunkel-vibrierender Trauermarsch für den von Bruckner verehrten Richard Wagner. Dieser Satz wurde zu einer Offenbarung, mit einer Intensität, die kaum zu ertragen war, die das Publikum, mucksmäuschenstill, auf die oft zitierte Stuhlkante zwang. Es sind diese Momente, auf die wir im Konzert hoffen, und die manchmal wirklich geschehen: Momente, in denen die Zeit für einen Augenblick still zu stehen schein.

Bei den »Bayreuther Festspielen« hat er ebenfalls für exemplarische Interpretationen gesorgt. »Thielemann ist der berühmteste und beste Wagner-Dirigent der Welt«, war etwa in der »Welt« zu lesen. Schon in den 1970er-Jahren hat er als Wagner-Stipendiat in Bayreuth »Götterdämmerung« und »Parsifal« gehört. Im Sommer 2000 gab er dann mit den »Meistersingern von Nürnberg« sein Debüt als Dirigent auf dem »Grünen Hügel«. Über 20 Jahre lang war er jährlich in Bayreuth zu erleben, 2015 stieg er gar zum Musikdirektor der Festspiele auf. 2020 lief der Vertrag nach einem Streit mit der Festspielchefin Katharina Wagner aus. Doch 2025, so ist zu hören, soll Thielemann nach Bayreuth zurückkehren, um »Lohengrin« zu dirigieren.

Noch mehr Oper gibt’s ab diesem September, dann nämlich übernimmt Thielemann den Posten des Generalmusikdirektors an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Dort tritt er die Nachfolge von Daniel Barenboim an, dessen Assistent er mit 19 Jahren war. Vor allem das deutsche romantische Repertoire wird dort vermutlich in seinen Händen liegen, das zu seinen absoluten Schwerpunkten gehört. Neben den Opern von Wagner ist vor allem Strauss einer seiner zentralen Komponisten, erst im letzten Jahr hat er dessen »Frau ohne Schatten« in einer prominent besetzten Wiederaufnahme an der Wiener Staatsoper dirigiert.

Und auch im sinfonischen Repertoire sind die Romantik und Spätromantik seine ureigene Domäne. Hier fühlt er eine besondere Verbindung, trifft den üppig-schwelgerischen Klang, ohne die nötige Transparenz dranzugeben. Auf diesem Feld, bei Strauss, Brahms, Bruckner und Mahler macht ihm kaum jemand etwas vor. Das waren auch schon seinen Säulenheiligen als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die er in diesem Sommer nach zwölf erfolgreichen Jahren verlässt. Bereits im März hat er sich mit Strauss’ »Frau ohne Schatten» an der Semperoper verabschiedet, der ständigen Wirkungsstätte der Staatskapelle.

Thielemann und die Sächsische Staatskapelle – das war eine Kombination, die geradezu zwingend erschien, denn schon Richard Wagner schwärmte von diesem Klangkörper als seiner »Wunderharfe«, in Dresden wurden u. a. sein »Fliegender Holländer« und »Tannhäuser« uraufgeführt. Und bis heute ist die Staatskapelle für ihren dunkel-warmen, romantischen Orchesterklang berühmt.

Aber natürlich ist Christian Thielemann, der 1959 in Berlin geboren wurde, auch viel gefragter Gast bei internationalen Elite-Klangkörpern. Enge Zusammenarbeiten verbinden ihn z. B. mit den Berliner und Wiener Philharmonikern, deren Neujahrskonzert er 2019 und 2024 dirigierte. Und mit den Wiener Philharmonikern kommt er nun nach Dortmund. Im Gepäck: natürlich Anton Bruckner, dessen sämtliche Sinfonien er gerade gemeinsam mit den Wienern eingespielt hat. Sozusagen ein Jubiläumsgeschenk für den österreichischen Sinfoniker, dessen Geburtstag sich 2024 zum 100. Mal jährt. Dabei kann das Orchester auf eine lange und glorreiche Bruckner-Tradition zurückblicken: 1892 hob es die zweite Fassung von dessen 2. Sinfonie aus der Taufe, und bereits 1881 spielten die Wiener Philharmoniker die Uraufführung der 4. Sinfonie.

Auch Christian Thielmann hat sich intensiv mit dem Schaffen Bruckners auseinandergesetzt, wobei ihm seine langjährige Beschäftigung mit den Opern von Wagner geholfen hat, wie er im Interview mit »BR Klassik« verriet: »So eine Bruckner-Sinfonie ist wie der ›Ring‹ in anderthalb Stunden. Und das habe ich besser und natürlicher hinbekommen, nachdem ich einen ›Tristan‹ oder ›Ring‹ disponiert hatte.« Bis heute ist es jedoch eine Herausforderung für ihn, sich von Bruckners Musik bei der Aufführung nicht überwältigen zu lassen. Als Publikum haben wir dieses Problem glücklicherweise nicht, können uns ganz hingeben, diesem magischen Bruckner-Moment.

    • Fr 13.09.2024
    • 19.30 Uhr

    Orchesterkonzert

    Christian Thielemann & Wiener Philharmoniker

    Sinfonien von Schumann und Bruckner