Die Evangelische Stadtkirche St. Reinoldi an einem Sonntagnachmittag: Eine lange Schlange steht vor dem Eingang und wartet auf Einlass. Ein Orgelkonzert steht an. Ein Orgelkonzert? Die Schlange reicht weit in den Ostenhellweg hinein und sie wird immer länger, ein ungewöhnlicher Anblick für eine solche Veranstaltung. Das Konzert kann schließlich erst mit rund 15 Minuten Verspätung anfangen, erst dann sind alle drin und das Gotteshaus bis auf den letzten Platz gefüllt. Dieser Andrang hat einen Grund und der heißt Anna Lapwood. Die britische Organistin, die gerade mit dem »Opus Klassik« ausgezeichnet wurde, ist derzeit in aller Munde. Sie spielt in Kirchen, bei Popkonzerten und hat es geschafft, dass ihr Instrument so populär wie selten ist. Ihre Social-Media-Accounts gehen durch die Decke: über 300.000 Follower auf Facebook, mehr als eine halbe Million auf Instagram, über 900.000 auf TikTok. Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs? Für ein Gespräch bleibt an diesem Tag keine Zeit, Lapwood wird nach dem Konzert von einer riesigen Traube ihrer Fans belagert. Unser Autor Guido Krawinkel verabredet sich für einen späteren Zeitpunkt mit ihr via Zoom – gar nicht so einfach, wenn man den übervollen Terminkalender der Organistin bedenkt…
Du bist Director of Music am Pembroke College (Cambridge), spielst weltweit Konzerte, übst nachts in der Royal Albert Hall, bist ein gefragter Talkgast und auch auf Social Media sehr aktiv. Hat dein Tag mehr als nur 24 Stunden oder wie schafft du das?
Ich wünschte, er hätte mehr. Es ist irgendwie verrückt. Neben dem Orgelspielen habe ich noch einen Vollzeitjob, der viel Verwaltung, E-Mails und eine ganz andere Art von Leben mit sich bringt. Jeder Teil meines Lebens fühlt sich an wie eine Pause vom anderen Teil. Wenn ich in Konzerten Orgel spiele, ist das eine Pause vom Dirigieren und von E-Mails. Und wenn ich dirigiere und E-Mails schreibe, ist das eine Pause vom Orgelspielen. Aber ja, der Zeitplan ist total verrückt. Im Moment bin ich jung und gesund, also kann ich arbeiten und arbeiten und arbeiten, und ich liebe es! Und solange ich es liebe, werde ich es weiter machen.
Es ist bemerkenswert, wie du auf der Orgel durchgestartet bist, dabei war sie ursprünglich ja gar nicht das Instrument deiner Wahl, oder?
Genau, ich war eigentlich fest entschlossen, professionelle Harfenistin zu werden. Für mich war dieser Karriereweg schon so gut wie vorgezeichnet. Dann habe ich mit Orgel angefangen, habe mich aber noch nicht sofort in sie verliebt. Die Harfe war lange Zeit mein Lieblingsinstrument. Als ich dann an die Universität ging, bekam ich ein Orgelstipendium, und die einzige Möglichkeit, um mit den Anforderungen Schritt zu halten, war, acht Stunden am Tag Orgel zu üben. So musste ich die Harfe beiseitelegen, weil ich keine Zeit mehr dafür hatte. Irgendwann überholte mein Orgel- mein Harfenspiel, und jetzt schreibe ich Transkriptionen und mache Filmmusik, was die Orgel in mein Herz gebracht hat. Ich vermisse die Harfe jedoch furchtbar. Ich habe immer noch eine, spiele sie allerdings nie.
Du arbeitest in zwei ganz unterschiedlichen Welten: auf der einen Seite die College-Welt und die klassische Musik, auf der anderen Seite das Showgeschäft, die Filmmusik. Wie fühlt es sich an, ständig zwischen diesen Welten wechseln?

Ich versuche immer, die Leute daran zu erinnern, dass wir es sind, die diese Grenzen setzen. Eigentlich ist das doch alles nur Musik. Es ist alles viel ähnlicher als wir denken. Wenn ich mit meinen Chören arbeite, versuche ich eine wirklich große Bandbreite an Musik zu machen. Wir machen natürlich das geistliche Repertoire, aber wir covern auch Popsongs. Ähnlich verhält es sich mit meinem Orgelspiel: Manchmal spiele ich »Doctor Who«, und manchmal spiele ich Duruflé. Ich habe das Gefühl, ich lerne mehr über beide Seiten, wenn ich auch die jeweils andere spiele. Wenn ich mich nur mit dem Showbiz beschäftigen würde, würde ich mich wohl ein bisschen langweilen. Und ich glaube, wenn ich nur Ernste Musik machen würde, würde ich mich auch ein bisschen langweilen.
Triffst du manchmal auf Neid von Kolleginnen und Kollegen, die nicht so erfolgreich sind?
Ich bekomme auf jeden Fall viel Kritik ab. Ein Teil davon ist vielleicht der Nervosität geschuldet, weil viele ihre Orgelwelt lieben. Sie lieben die Traditionen, und sie lieben die Tatsache, dass sie so eine Art Blase ist. In der Orgelwelt gibt es oft einen festen Weg, ich folge diesem Weg aber nicht. Ich frage mich immer: Überwiegen die positiven Aspekte die negativen? Und wenn nur ein Kind nach einem Konzert zu mir kommt und sagt: »Ich habe wegen dir mit der Orgel angefangen«, dann macht das für mich hundertmal die Kritik wett, die ich erhalte. Man muss auch lernen, ein dickes Fell zu haben. Aber ich denke, das ist in jedem Teil der Musikindustrie so.
Wenn du nachts in der Royal Albert Hall übst oder bei großen Galas mit Popstars wie Bonobo oder Aurora vor mehr als 8000 Menschen spielst und plötzlich sitzen Megastars wie Benedict Cumberbatch oder Tom Cruise neben dir auf der Bank – wie erlebst du das?
Es fühlte sich sehr unwirklich an, aber es ist immer wieder ein Adrenalinkick, vor allem, wenn man nicht damit rechnet, etwa mitten in der Nacht. In dem Moment, in dem eine Crew oder wer auch immer zuhört, bekommt man sofort einen Energieschub, weil es plötzlich um andere Leute geht und nicht mehr nur um dich und das Instrument und das Üben. Es geht darum, dass wir so vielen Menschen wie möglich vermitteln wollen, warum wir alle das Instrument so sehr lieben. Und ich glaube, besonders andere Künstlerinnen und Künstler verstehen das sofort, weil sie die Arbeit sehen, die dahintersteckt. Und sie teilen die Freude über das Ergebnis, sie können sich in diesen Prozess einfühlen.
Du bist sehr bekannt, wurdest schon zum Member of the Order of the British Empire ernannt und machst die Orgel ungeheuer populär. Wie geht es weiter?
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Ich habe nie wirklich einen Plan gehabt. Ich folge einfach dem, was zu diesem Zeitpunkt gerade passiert. Mein Terminkalender für die nächsten zwei Jahre ist völlig verrückt. Ich schaue einfach, was täglich passiert und hoffe, dass es den Leuten gefällt. Und im Moment scheint es den Leuten zu gefallen.
Das Interview führte Guido Krawinkel.
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- Mitwirkende
- Mitwirkende
- Anna Lapwood Orgel
- Programm
- Programm
- Kristina Arakelyan »Star fantasy«
- Philip Glass »Mad rush«
- Charles Francois Gounod »Ave Maria« Méditation sur le premier Prélude de J. S. Bach (Fassung für Orgel von Anna Lapwood)
- Hans Zimmer »Cornfield chase« aus »Interstellar Suite« (Fassung für Orgel von Anna Lapwood)
- Benjamin Britten »Dawn« aus Four Sea Interludes op. 33a (Fassung für Orgel von Anna Lapwood)
- Benjamin Britten »Sunday morning« aus Four Sea Interludes op. 33a (Fassung für Orgel von Anna Lapwood)
- Alan Menken ›Die Glocken Notre Dames‹ aus »Der Glöckner von Notre Dame« (Fassung für Orgel von Anna Lapwood)
- – Pause –
- Olivia Belli »Limina luminis«
- Hans Zimmer Suite aus »Fluch der Karibik« (Fassung für Orgel von Anna Lapwood)
- Maurice Duruflé Prélude et fugue sur le nom d’Alain op. 7
- Hans Zimmer ›No time for caution‹ aus »Interstellar Suite« (Fassung für Orgel von Anna Lapwood)
- John Powell ›Test drive‹ aus »How to train your dragon« (Fassung für Orgel von Anna Lapwood) (Zugabe)
- Ludovico Einaudi »Experience« (Zugabe)
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