Konzerthaus Dortmund

»Rising Star« Vanessa Porter im Interview

Als »Rising Star« steht Vanessa Porter am 25. Februar auf der Konzerthaus-Bühne. Im Vorfeld des »Sternstundenmarathons« sprach Programmheft-Autor Helge Birkelbach mit der Perkussionistin.

Zunächst zu Ihren eigenen Kompositionen. Sie starten mit einem Stück für Electronic and Sounds. Heißt es französisch »Folie« oder deutsch »Folie«? 
Französisch. Das erste Stück (»Folie«) und das letzte Stück (»à deux«) bilden den Titel meines Programmtitels »folie à deux«, was soviel bedeutet wie »die Verrücktheit der Zweien«. Es beschreibt eine sehr unbekannte psychische Krankheit zweier Menschen.

Was passiert da musikalisch?
In allen Soundinstallationen (»Folie« und in allen »Scenes«) kommt Percussion vor. Es gibt eigentlich zwei Versionen des Programms. Eine Version ist rein solistisch, dann werden die Soundinstallationen nur auditiv zu hören sein. Diese Soundinstallationen sind also »fertig« gebaut und werden genau so abgespielt. Hier gibt es einen starken Bezug zu Naturgeräuschen und Klängen. Sowohl Objekte und Geräusche, wie Wind, Ästeknacken, Vogelgezwitscher, als auch Instrumente wie Vibrafon, Nicofon oder Waterdrum kommen vor. Alles wurde selbst aufgenommen und eingespielt.
Die andere Version von »folie à deux« ist mit meinem Duopartner und Klangregisseur Daniel Mudrack. Hier werden vorprogrammierte Percussionsounds mit Synthesizer und Improvisation live verbunden. Es passiert also viel mehr direkt live auf der Bühne. Außerdem gibt es einen größeren Bezug zu Elektronik und Synthesizer.

Die besagten »Scenes« sind durchnummeriert. Stammen diese Stücke aus einem zusammenhängenden Zyklus?
Genau. Die Grundidee des Programms ist, alle Werke für Perkussion solo, also auch die der anderen Komponisten, mit verschiedenen Soundinstallationen, eben »Scenes«, zu verbinden, sowohl in der Solo- wie auch in der Duoversion. Alle »Scenes« sind extra für das Programm gebaut worden und beziehen sich sowohl auf das vorherige Stück als auch auf das darauffolgende Stück. Sie sollen dadurch eine homogene Verbindung schaffen.

Bei »?Corporel for a percussionist on his body« von Vinko Globokar gibt es nur ein Instrument: Sie selbst. Ein radikales Stück?
Ja. Ich denke, es ist mit das radikalste Stück in diesem Programm. Sobald ein Mensch ausschließlich seinen Körper als Instrument benutzt, wird es auf eine gewisse Art und Weise radikal. Es ist für die Zuhörer und Zuhörerinnen viel greifbarer als ein »externes« Instrument, da jede und jeder von uns die Verbindung zum eigenen Körper hat. Man kann Schmerz, Rhythmus und Emotionen viel mehr nachempfinden, da es nicht so abstrakt ist wie ein Instrument. Daher wirkt ein starker Schlag auf den eigenen Körper oder ein lauter Schrei viel intensiver als beispielsweise ein lauter Trommelschlag.

Mensch oder Ding? Wie fühlen Sie sich bei »?Corporel«?
Mensch.

Die Digitalisierung aller Lebensbereichs führt zu einer fortschreitenden Entkörperlichung des Menschen. Sie dagegen agieren als Perkussionistin extrem körperbetont. Ist Ihre Musik ein bewusstes Statement gegen die Entkörperlichung?
Ich denke, dass alles, was wir tun – physisch und psychisch – ausschließlich von unserem Körper und unserer Seele geleitet wird. Das heißt: Auch wenn wir und unsere Entscheidungen immer mehr und sehr stark von der Außenwelt und der Digitalisierung beeinflusst werden, ist doch der Ursprung unseres Tuns und Handelns nach wie vor unser eigenes Ich. Ich habe mein Programm nicht bewusst danach gebaut und wollte auch nicht genau diese Message damit vermitteln. Dennoch höre ich immer wieder, dass ich sehr körperlich und nahbar meine Programme gestalte. Also würde ich sagen, dass ich unbewusst doch versuche, genau dies zu vermitteln.

  • Oliver Look
    © Oliver Look
  • Oliver Look
    © Oliver Look
  • Oliver Look
    © Oliver Look
  • Oliver Look
    © Oliver Look
  • Oliver Look
    © Oliver Look

Das gesamte Programm des Abends wird im Programmheft mit dem Expo-Slogan »Mensch, Natur, Technik« überschrieben. Der Text über Ihren Beitrag soll den Grundgedanken »Körper vs. Technik« transportieren. Finden Sie sich da wieder?
Da ich sowohl sehr körperliche Werke spiele als auch Elektronik in meinem Programm habe, passt der Titel gut. Dennoch geht es mir nicht darum, eine Art Kampf oder Challenge zwischen dem Körper, also dem Menschen, und der Digitalisierung und der Technik zu beschreiben. In »folie à deux« geht es rein um den Menschen und die Psyche, mit allen manchmal sehr abstrakten und »unmenschlichen« Fantasien und Gedanken.

Beim Stück »The Anvil Chorus« lässt der Komponist David Lang dem Aufführenden die freie Wahl, welche »Junk Metals« er einsetzt. Für welche haben Sie sich entschieden?
Ich habe mich für zwei große Fässer, vier Bremstrommeln, Blech und drei gestimmte Metallrohre entschieden. Die Kombination von fiesen Klängen und melodischen Metallsounds passen für mich sehr gut zu dem Stück.

Können Sie kurz noch die zwei letzten Stücke, nämlich von Emil Kuyumcuyan und Georges Aperghis beschreiben?
»Shapes« von Emil Kuyumcuyan ist ein sehr virtuoses und gleichzeitig sehr melancholisches Stück für Vibrafon. Das Werk ist sehr zugänglich für das Publikum – und gleichzeitig das technisch herausforderndste für mich als Spielerin. Der Komponist arbeitet viel mit Takt- und Harmoniewechseln und lässt das Werk dennoch nie nervös oder angespannt klingen. »The Messenger« von Georges Aperghis ist dagegen eine Erzählung. In dem Stück spreche ich in immer wiederkehrenden Sätzen über die Stille und das Beobachten, das Wegschauen in der Flüchtlingskrise. Dazu spiele ich rhythmische und melodische Muster mit der Zarb, einer iranischen Trommel. Stimme und Trommel sollen dabei quasi miteinander verschmelzen.

Das Interview führte Helge Birkelbach

    • Sa 25.02.2023
    • 17.00 Uhr

    Kammermusik

    Junge Wilde – Rising Stars

    Sternstundenmarathon