Konzerthaus Dortmund
Karina Canellakis © Mathias Bothor

Steiler Weg nach oben

Karina Canellakis gehört zu einer Generation junger Dirigentinnen, die mit ihrer Kunst die internationalen Podien gerade im Sturm erobern. In Dortmund gastiert sie nun mit »ihrem« Orchester, dem Radio Filharmonisch Orkest, und gibt einen facettenreichen Einblick in ihr spannendes Repertoire.

Es hat etwas gedauert, aber es tut sich was im Klassikbetrieb. Fast könnte man von einer sanften Revolution sprechen, denn mittlerweile behauptet sich eine ganze Reihe von jungen Dirigentinnen glänzend in der ehemaligen Männer-Domäne. Waren es am Anfang nur wenige Pionierinnen wie Marin Alsop, Julia Jones oder Simone Young, die sich den Vorurteilen und Widerständen entgegenstellten, gibt es mittlerweile immer mehr Frauen auch in Führungspositionen bei Orchestern: Oksana Lyniv ist Generalmusikdirektorin am Opernhaus in Bologna, Eun Sun Kim ist seit einigen Jahren Musikdirektorin der San Francisco Opera, Joana Mallwitz ist Chefdirigentin des Konzerthausorchesters Berlin und die ehemalige Exklusivkünstlerin am Konzerthaus Dortmund Mirga Gražinytė-Tyla war Musikdirektorin beim City of Birmingham Symphony Orchestra.

In diesen illustren Kreis aufstrebender Pult-Künstlerinnen reiht sich auch Karina Canellakis ein. Die US-Amerikanerin mit griechisch-russischen Wurzeln ist seit 2019 Chefdirigentin des Radio Filharmonisch Orkest und seit 2021 Erste Gastdirigentin des London Philharmonic Orchestra. Ohnehin hat sich die Karriere der 1981 in eine New Yorker Musikerfamilie geborenen Dirigentin in den letzten Jahren rasant entwickelt, vor allem seit sie 2016 den »Sir Georg Solti Conducting Award« gewann. Zu den Orchestern, die sie bereits dirigiert hat, gehören die international ersten Adressen, darunter das Orchestre de Paris, die Münchner Philharmoniker, die Wiener Symphoniker, das Concertgebouw Orchestra sowie die amerikanischen Spitzenorchester in Boston, Chicago, Cleveland und Philadelphia.

Karina Canellakis © Mathias Bothor

Mit gerade einmal 18 Jahren stand sie mit Anne-Sophie Mutter und André Previn auf der Bühne des Goldenen Saals im Wiener Musikverein, damals allerdings noch als Geigerin. Sir Simon Rattle war es schließlich, der sie als Mitglied der Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker zum Weg ans Pult ermutigte. Als große Inspiration bezeichnet sie außerdem Claudio Abbado, den sie 2001 das erste Mal live erlebte, als er mit den Berliner Philharmonikern in der Carnegie Hall in New York gastierte. Später konnte sie ihn als Akademistin in Berlin dann aus nächster Nähe erleben. Eine große Bewunderung hegt sie außerdem für Carlos Kleiber. »Ihm gelingt das Kunststück, völlig entspannt zu musizieren und trotzdem über Stunden die Spannung zu halten«, hat sie ihre Faszination in einem Interview mit der »Zeit« einmal erklärt. Und auch Seiji Ozwa hat sie mit der 10. Sinfonie von Schostakowitsch einmal in Staunen versetzt. Es sei ihm gelungen, »die Musik sozusagen unter dem Podium entstehen zu lassen, tief in der Erde. Ozawa dirigierte mit kleinsten Gesten, seine rechte Hand brauchte nur einen Raum von der Größe einer Schachtel. Dieser Moment hat mein Leben verändert«.

  • Karina Canellakis © Mathias Bothor
    Karina Canellakis © Mathias Bothor
  • Karina Canellakis © Chris Christodoulou
    Karina Canellakis © Chris Christodoulou
  • Christian Tetzlaff © Giorgia Bertazzi
    Christian Tetzlaff © Giorgia Bertazzi

Apropos Gesten: Es gibt ein Video auf YouTube, in dem sie das BR-Symphonieorchester mit Schönbergs »Verklärter Nacht« dirigiert – ohne Taktstock. Weich und fließend sind ihre Bewegungen und gleichzeitig immer klar und präzise. Das energetische Band, das sie mit den Musikerinnen und Musikern verbindet, ist fast physisch greifbar. Dabei scheint sie mit ihren ausdrucksstarken Händen das Orchester und den Klang zu umarmen, wie eine Cellistin ihr Instrument. Ebenfalls gut zu hören ist hier ihre ausgeprägte Fähigkeit, den Orchesterklang wunderbar transparent und durchhörbar zu gestalten. Und das in einem Repertoire, das sie kontinuierlich, aber mit Bedacht erweitert. Sie nimmt sich bewusst Zeit für ein neues Stück, um in die Tiefenschichten einer Komposition vorzudringen. Gerade das macht ihre Konzerte oft zu eindrücklichen Hörerfahrungen.

An ihrer Aufnahme von Bartóks Konzert für Orchester aus dem Jahr 2023 lobte ein Kritiker ihr Gespür für Details und die sensible Interaktion mit dem Orchester. Außerdem war sie bereits mit Alice Sara Ott sowie Lucas und Arthur Jussen im Aufnahmestudio. Immer mit dabei: das Radio Filharmonisch Orkest, dessen Chefdirigentin sie ist. Für sie hat das Orchester einen ganz besonderen Klang, voller Brillanz und Virtuosität. Die Zusammenarbeit bezeichnet sie als »echte Freundschaft, die sich stetig weiterentwickelt«. Wobei ihr auch die eigenen Erfahrungen als Geigerin helfen, denn vor allem mit den Streichern kann sie auf Augenhöhe sprechen, sozusagen als Prima inter pares. »Das schafft Vertrauen und Kollegialität.«

    • So 12.01.2025
    • 18.00 Uhr

    Orchesterkonzert

    Karina Canellakis & Radio Filharmonisch Orkest

    Christian Tetzlaff spielt Beethoven Violinkonzert