Konzerthaus Dortmund

Auf möglichst kleinem Fuß

Verantwortungsbewusst mit den Ressourcen unserer Erde umzugehen, ist dem Konzerthaus Dortmund eine Herzensangelegenheit. Mit Gründung einer Taskforce Nachhaltigkeit in der Saison 2020/21 und der Teilnahme am Pilotprojekt des Netzwerkes Nachhaltigkeit in Kultur und Medien ist das Konzerthaus-Team das Thema aktiv und systematisch angegangen.

Das Meer von Kies auf dem Konzerthaus wirkt endlos. Weil sich das Dach elegant wölbt, ist ein Ende nicht in Sicht. Durch eine Dachluke steigen nur eingewiesene Personen an diesen luftigen Ort, wo das Geländer niedrig ist, die Menschen unten mäuschenklein aussehen und die Reinoldikirche mit ihrem mächtigen Turm dennoch alles überragt. Auf das Kiesmeer, das beim Betreten sanft nachgibt, wird bald eine Photovoltaik-Anlage installiert, eine Kooperation mit dem Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut und der TU Clausthal. »Mit dem Institut haben wir ja auch schon die Aerosol-Studie gemacht, mit der wir nachgewiesen haben, dass ein Konzertraum kein Ansteckungsort für Corona ist«, erläutert Intendant Raphael von Hoensbroech. »Jetzt erforscht das Institut, wie man recycelten Solarpaneelen und B-Ware-Batterien, sogenannten ›Second-Life‹-Batterien, ein zweites Leben geben kann. Wir nutzen also Recyclingprodukte und dienen dem Fraunhofer Institut als Pilotprojekt.« Bald sollen die mit Sonnenenergie geladenen Batterien unter dem Konzerthaus-Dach regelmäßig grünen Strom für den großen Bedarf liefern, der bei einem Konzerthaus anfällt. Und damit sind nicht nur Stromfresser wie Musikanlagen und Scheinwerfer gemeint. Tagsüber wird gesammelt, abends verbraucht. Das erste vollständig CO2-neutrale Festival steht dann im März und April 2023 auf dem Programm: mit »Curating Artist« Gautier Capuçon.

Pläne wie diese treiben das Konzerthaus nicht erst seit der Corona-Krise um. Nachhaltigkeit und CO2-Fußabdruck sind schon länger Thema im Haus. 80 Prozent der Innenbeleuchtung des Konzerthauses zum Beispiel ist schon auf LED umgestellt. Die Außenbeleuchtung anzupassen, ist komplizierter, aber auch das steht im Fokus. Das ÖPNV-Ticket für freie Fahrt zum oder vom Konzert kommt in der Saison 2022/23, und auch die Garderobenmarken sind bald nicht mehr aus Papier. Kleinigkeiten? Mag sein. »Im Ganzen gesehen aber haben sie einen Effekt«, sagt Rebecca Zimmermann, die am Konzerthaus die Abteilung Development leitet und die Nachhaltigkeits-Taskforce iniziiert hat. »Wir konnten jetzt zwei Cargo-Bikes anschaffen, damit wir unseren Sprinter weniger häufig einsetzen«, sagt sie. »Auch eine Dachbegrünung haben wir geprüft, um die großen Flächen zu nutzen.« Was sich allerdings aus statischen Gründen noch schwierig gestaltet. Wie auch andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat sie sich das Thema nicht ohne Mühe erarbeitet: »Wer sind wir im Konzerthaus? Musiker, Musikwissenschaftlerinnen, Veranstaltungsmenschen. Wir haben in der Konzertplanung erstmal keine Ahnung von Strommixen, Kältemitteln, Lieferketten oder nachhaltigem Catering.« 

Egal, ob nachhaltig oder nicht: Zunächst muss investiert werden. Die E.ON-Stiftung weiß das und fördert das Konzerthaus nicht nur, wenn es um künstlerische Projekte geht. Sie unterstützt auch die Anschaffung der Cargo-Bikes und der neuen Wasserspender. Auch der CO2-Rechner des Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit, mit dem das Konzerthaus seinen Fußabdruck bilanziert, wurde von der Stiftung ermöglicht. Solche Rechner kommen ursprünglich aus England, wo der »CO2-Footprint« schon lange ein Thema ist. Die Anpassung dieser »Green Music Tools« für die deutsche Kultur – eine reichlich komplexe Materie – war ein erster wichtiger Schritt für die Taskforce, um Handlungsfelder und Maßnahmen für das Konzerthaus abzuleiten. »Da gab es vorletztes Jahr einen Aufruf für alle NRW-Einrichtungen. Ein Jahr lang wurde eine Pilotgruppe bei der Erstellung der ersten Bilanz begleitet. Wir haben gleich zwei davon erstellt. Als Referenzsaison haben wir die Spielzeit 2018/19 herangezogen, das Saisonbuch genommen und geschätzt: Welche Künstlerinnen und Künstler kamen von wo, wer mit dem Flugzeug, wer mit dem Auto. Die Werte der Saison 2021/22 konnten wir tagesaktuell erheben. Wir werden nun jährlich eine Bilanz erstellen, Maßnahmen evaluieren und anpassen.« Immer wieder stellt sich dabei heraus, dass jedes Konzerthaus, jeder Veranstaltungsort anders ist, unterschiedliche Erfordernisse hat und niemals die gleichen technischen Voraussetzungen mitbringt.

Letztlich gehört zur Nachhaltigkeit auch, wie Orchester, Künstlerinnen und Künstler selbst damit umgehen. Sie sind allerdings gar nicht so sehr das Problem, sagt Raphael von Hoensbroech. »Der größte Teil unserer CO2-Belastung ist das Gebäude, der zweitgrößte unser Publikum. Und dann kommen erst die Musikerinnen und Musiker. Man muss sich überlegen, wo man die größeren Hebel hat.« Dennoch lohnt es in allen Bereichen genau hinzuschauen: »Letztes Jahr haben wir einem Orchester abgesagt, weil es fliegen wollte, obwohl es auch den Zug hätte nehmen können. Am Ende kam es dann doch – mit dem Zug.« 

Exklusivität leistet sich das Konzerthaus Dortmund in diesem Punkt nur, wenn der künstlerische Mehrwert stimmt. Und wenn bei all diesen Maßnahmen auch die globale musikalische Kommunikation nicht zu kurz kommt. »Ich glaube«, sagt Hoensbroech, »dass wir mit der Musik eine Sprache haben, die international auf der ganzen Welt die gleiche ist. Und dass dieser Kunstaustausch wesentlich zum Weltfrieden beiträgt«.