Neugierig und abenteuerlustig

  • Andris Nelsons © Terry Linke
    Andris Nelsons © Terry Linke
  • Gewandhausorchester © Jens Gerber
    Gewandhausorchester © Jens Gerber
  • Gábor Richter © Jens Gerber
    Gábor Richter © Jens Gerber
  • Mao Fujita © Dovile Sermokas
    Mao Fujita © Dovile Sermokas

Ein musikalisches Zusammentreffen der Superlative: Andris Nelsons gibt gemeinsam mit seinem Gewandhausorchester und Yuja Wang den Auftakt in die neue Spielzeit. Beinahe auf den Tag genau vor 20 Jahren wurde das Konzerthaus Dortmund feierlich eröffnet: Tausende Künstlerinnen und Künstler haben seitdem den Saal mit Musik gefüllt. Andris Nelsons selbst begeht mit diesem Auftritt ebenfalls ein Jubiläum und steht zum 25. Mal auf der Konzerthaus-Bühne.
 

Yuja Wang © Kirk Edwards

»Es ist schön, bewundert zu werden, aber auch gefährlich. Letztendlich darf ich nicht vergessen, dass es nicht um mich geht, sondern um etwas viel Größeres«, erzählt Yuja Wang. »Ich versuche, die Zuhörer in eine andere Welt zu entführen, die hoffentlich abseits vom Alltag liegt.« Im Klavierspiel hat die 35-Jährige ihre Berufung gefunden, durch die Musik fühle sie sich lebendig. Wo sie auch spielt, kommt ihr tosender Applaus entgegen. Dennoch sagt sie, dass sie sich ihr Leben so nie ausgemalt hätte. 1987 in China geboren, erlangt sie schnell den Status eines Wunderkinds. Ein Video zeigt sie als kleines Mädchen, die Haare links und rechts zu zwei Zöpfen gebunden, ein Haarreif und ein weißes Kleid – so spielt sie Chopins Walzer in cis-moll fehlerfrei und bewegt sich passend zur Musik. Bereits als Teenagerin gibt sie Konzerte in ausverkauften Sälen.

Mit 14 Jahren verlässt sie ihre Heimat und geht ganz allein zunächst nach Kanada und später ans Curtis Institute of Music in Philadelphia, um Klavier zu studieren. Während ihrer Zeit in den USA probiert sie sich aus, und viele der Stücke, die sie heutzutage spielt, hat sie in diesen Jahren erlernt. Sie sind ihr in Fleisch und Blut übergegangen, sodass sie die Werke bei ihren Konzerten ganz natürlich spielen kann, als flössen sie einfach aus ihr heraus.

Vor allem das russische Repertoire entdeckte sie damals für sich, und Komponisten wie Rachmaninow und Tschaikowsky ziehen sich bis heute wie ein roter Faden durch ihre Konzertprogramme – so auch bei ihren Auftritten im Konzerthaus Dortmund, aber dazu später mehr. Der Grundstein für ihre Vorliebe für russische Komponisten wurde vermutlich schon viel früher gelegt. Im Alter von sechs Jahren besuchte sie ihre Mutter, eine Tänzerin, bei einer Probe zu Tschaikowskys »Schwanensee« und war so angetan von der Musik, dass sie es auf dem heimischen Klavier nachspielte.

Ihren internationalen Durchbruch feierte Wang 2007, als sie für die erkrankte Martha Argerich beim Boston Symphony Orchestra (BSO) einsprang. Zwei Jahre später erhielt sie einen Exklusivvertrag mit der Deutschen Grammophon. Trotz all der Bewunderung für ihre fulminante Technik, Ausdrucksstärke, Bühnenpräsenz und ihr Charisma verlieren Kritiken ihrer Konzerte zumeist auch ein paar Worte zu ihrer Kleider- und Schuhauswahl, die nicht gerade dem Standard der Klassikwelt entspricht. Das geht natürlich auch an Wang nicht unbemerkt vorbei: »Ich wünsche mir, dass die Leute mich als forschende, neugierige Musikerin, als eine abenteuerlustige, kreative und mutige Musikerin wahrnehmen. Das wäre mir lieber als ‚das ist die, mit den schnellen Fingern, den Stöckelschuhen und den kurzen Kleidern.«

Yuja Wang © Julia Wesely

Woran die Pianistin auch nach vielen Jahren des Konzertierens und Reisens durch die Welt keinen rechten Gefallen finden kann, ist die Aufgabe, sich einen Flügel für den jeweiligen Konzertabend auszusuchen. »Jedes Klavier hat seine eigene Stimme, seinen eigenen Charakter.« Am liebsten würde sie manchmal zwei Instrumente miteinander kombinieren. »Die Auswahl hängt sehr vom Stück ab, das man am Abend spielt. Wenn man das passende Instrument hat, dann klingt das Stück besser. Pianisten machen mit ihren Händen Musik. Es ist meine Aufgabe, den optimalen Klang aus einem Klavier herauszuholen, das ist Teil der Technik. Jeder Flügel ist wie ein Fremder, es dauert ein bisschen bis man die Stärken und Schwächen kennt und weiß, wie man mit ihnen umgeht. Man muss sich ständig auf sie einstellen.«

Für ihr Konzert in Dortmund dürfte die Kennenlern- und Eingewöhnungsphase mit dem auserwählten Flügel kürzer ausfallen, immerhin war Yuja Wang ab 2009/10 drei Jahre lang Künstlerin der Reihe »Junge Wilde«. Bei ihrem Porträtkonzert 2019 stand Schostakowitschs Klavierkonzert Nr. 2 auf dem Programm. Damals hieß es in den Ruhr Nachrichten: »Im Andante zeigte sie ihr ausgeprägtes Gespür für Sinnlichkeit und im Finale dann ihre Lust an rhythmischer Impulsivität.« Auch bei ihrem Konzert im September im Konzerthaus Dortmund, bei dem sie diesmal das erste Klavierkonzert von Schostakowitsch spielt, wird sie diese Qualitäten sicher wieder zum Einsatz bringen.

Andris Nelsons © Gert Mothes

An ihrer Seite spielt das Gewandhausorchester Leipzig unter der Leitung seines Chefdirigenten Andris Nelsons, der als ehemaliger Exklusivkünstler in Dortmund ebenso wenig ein Unbekannter ist. Bereits 2004 dirigierte Andris Nelsons sein erstes Konzert im Konzerthaus und so konnte das Dortmunder Publikum seinen allmählichen Karriereaufstieg über die Jahre hinweg mitverfolgen. Inzwischen gilt er längst als einer der namhaftesten und  innovativsten Dirigenten der Szene weltweit, steht neben dem Leipziger Klangkörper auch dem BSO vor und wurde für seinen Schostakowitsch-Zyklus mit dem BSO mit einem Grammy ausgezeichnet. Eine erstklassige Besetzung, die zur Feier des 20. Jubiläums ein musikalisches Feuerwerk verspricht!

    • Do 08.09.2022
    • 20.00 Uhr

    Orchesterkonzert

    Andris Nelsons & Gewandhausorchester Leipzig

    Mao Fujita springt für Yuja Wang ein