Glück mit und durch Musik
Das SLOW Festival am Konzerthaus holt sein Publikum musikalisch ins Hier und Jetzt.
»Weshalb ist das Vergnügen an der Langsamkeit verschwunden? Ach, wo sind sie, die Flaneure von einst?«
Milan Kundera, »Die Langsamkeit«
Der Schriftsteller Milan Kundera schreibt seinen Roman »Die Langsamkeit« im Jahr 1994, vor 31 Jahren. Zeitgleich gründet Jeff Bezos sein Unternehmen Amazon, Sony bringt die PlayStation auf den Markt, die erste Homepage im World Wide Web ist gerade einmal knapp drei Jahre alt. Dass jeder von uns irgendwann permanent einen bis mehrere Mini-Computer mit sich herumtragen wird, ständig erreichbar, dauernd online und das Leben bald noch viel, viel kurzlebiger davonhasten sollte, das wirkte damals noch utopisch – es war ja alles schon so unfassbar schnell.
Also: Wo ist das Vergnügen an der Langsamkeit nur geblieben? Mit dem Soziologen Hartmut Rosa gesprochen: Wir haben es geopfert zugunsten einer dynamischen Stabilisierung unserer modernen Gesellschaft, »die strukturell auf Wachstum, Beschleunigung und Innovationsverdichtung, Innovationssteigerung angewiesen ist, um sich zu erhalten und zu reproduzieren«. Doch dabei wächst die Gefahr, dass wir uns selbst verlieren – je ruheloser wir durch den Alltag eilen, desto mehr übersehen wir, desto weniger spüren wir uns selbst. Aber es gibt einen Ausweg, zumindest für manche: bewusste Langsamkeit. Achtsamkeit. Nichtstun, Innehalten und zur Ruhe kommen sind in unserer kapitalistisch angetriebenen Welt allerdings ein enormes Privileg – die wenigsten können es sich leisten, mal auf »Pause« zu drücken, aus finanziellen Gründen, aus sozialen, aus psychischen. Dieses Bewusstsein gehört zu einem achtsamen Umgang mit der Welt zwingend dazu.
Beim SLOW Festival mit Beginn an Allerheiligen geht es genau darum: innezuhalten, sich zu besinnen, und zwar mit Musik und um Musik herum. Um ein klingendes Werk bewusst wahrzunehmen, braucht es schließlich das Zuhören – man kann eine Sinfonie, ein Lied oder Streichquartett im Konzert nicht vorspulen, durchskippen oder überfliegen. Um die Struktur der Musik zu verstehen, um die Klänge bewusst genießen zu können, braucht es die klare Anwesenheit im Moment. Keine ablenkenden Nachrichten nebenbei, sondern minuten-, stundenlanges Zuhören – völlig egal, ob man dabei stillsitzt oder tanzt, ob die Musik leise ist oder laut oder worin sie eigentlich besteht. Um etwas als Musik wahrzunehmen, sagt der Komponist Ondřej Adámek in einem Interview, braucht es eine entsprechende Hörhaltung: »Wenn die Vögel singen, dann ist das noch keine Musik. Wenn ich aber sage: ›Hör die Vögel, wie sie singen‹, dann ist das Musik.«
-
- So 02.11.2025
- 15.30 Uhr
Diese Veranstaltung liegt in der Vergangenheit!
Musik & Dialog
SLOW Lecture – Prof. Hartmut Rosa
Impulsvortrag mit dem renommierten Soziologen und Autor
- Mitwirkende
- Mitwirkende
- Hartmut Rosa Vortrag
In seiner Keynote beim SLOW Festival denkt auch Hartmut Rosa über den Zusammenhang von Achtsamkeit und Musikhören nach: »Im Musikhören erleben wir, was es heißt, sehnsüchtig, isoliert, euphorisch, liebend auf ›Welt‹ bezogen zu sein – die Verbundenheit geht über die Ohren.« Werke wie Arvo Pärts »Da pacem Domine«, Pēteris Vasks’ »Tris skatieni« oder Jürg Freys »Unhörbare Zeit« etwa, die das Streichquartett des O/Modernt Chamber Orchestra unter Leitung von Hugo Ticciati beim Eröffnungskonzert interpretiert, zelebrieren vor diesem Hintergrund die innere Einkehr als Kunst: Die schwebenden Klänge scheinen nicht nur den Moment zu verlangsamen, sie erinnern auch an die Vergänglichkeit des Moments und des Lebens. Pärt schrieb »Da pacem Domine« als Tribut an die Opfer der terroristischen Bombenanschläge von Madrid am 11. März 2004.
-
- Sa 01.11.2025
- 15.00 Uhr
Diese Veranstaltung liegt in der Vergangenheit!
Für Neugierige
SLOW Opening – Hugo Ticciati & O/Modernt
Vergänglichkeit und Zuversicht
- Mitwirkende
- Mitwirkende
- Mitglieder des O/Modernt
- Hugo Ticciati Violine
- Susanne von Gutzeit Violine
- Sascha Bota Viola
- Julian Arp Violoncello
- O/Modernt Chamber Orchestra
- Lorris Dath Perkussion
- Programm
- Programm
- Pēteris Vasks »Trīs skatieni« (»Drei Blicke«)
- Arvo Pärt »Da pacem Domine«
- Jürg Frey Streichquartett Nr. 3
- Pēteris Vasks Meditation aus Streichquartett Nr. 4
- Arvo Pärt »Silouan’s Song« für Streichorchester
- Arvo Pärt »Cantus in memory of Benjamin Britten« für Glocke und Streichorchester (Fassung für Streichquartett)
Der Pianist Pierre-Laurent Aimard zelebriert die Entschleunigung durch seine Interpretation der langsamen Sätze aus Johann Sebastian Bachs »Wohltemperiertem Klavier« und Olivier Messiaens »Vingt regards sur l’Enfant-Jésus«, und die Geigerin Isabelle Faust widmet sich in einem dreistündigen Konzert den kompletten Sonaten und Partiten für Violine solo.
-
- Sa 01.11.2025
- 20.00 Uhr
Diese Veranstaltung liegt in der Vergangenheit!
Klavierabend
SLOW Piano – Pierre-Laurent Aimard
Kontemplation mit langsamen Klaviersätzen von Bach und Messiaen
- Mitwirkende
- Mitwirkende
- Pierre-Laurent Aimard Klavier
- Programm
- Programm
- Olivier Messiaen »Vingt regards sur l’Enfant-Jésus« (Auszüge)
- Johann Sebastian Bach »Das Wohltemperierte Klavier« BWV 846 – 893 (Auszüge)
- So 02.11.2025
- 11.00 Uhr
Diese Veranstaltung liegt in der Vergangenheit!
Kammermusik
SLOW Focus – Isabelle Faust: Bach solo
Bachs sechs Sonaten und Partiten für Violine
- Mitwirkende
- Mitwirkende
- Isabelle Faust Violine
- Programm
- Programm
- Johann Sebastian Bach Sonate für Violine solo Nr. 1 g-moll BWV 1001
- Johann Sebastian Bach Partita für Violine solo Nr. 1 h-moll BWV 1002
- Johann Sebastian Bach Sonate für Violine solo Nr. 2 a-moll BWV 1003
- – Pause –
- Johann Sebastian Bach Partita für Violine solo Nr. 3 E-Dur BWV 1006
- Johann Sebastian Bach Sonate für Violine solo Nr. 3 C-Dur BWV 1005
- Johann Sebastian Bach Partita für Violine solo Nr. 2 d-moll BWV 1004
Beim Abschlusskonzert interpretiert das O/Modernt Chamber Orchestra meditative und besinnliche Werke wie Hildegard von Bingens »Vos flores rosarum«, Philip Glass’ »Movement III« aus der 3. Sinfonie und Pēteris Vasks’ »The fruit of silence«. Im Mittelpunkt des Abends steht John Cages »4’33« – viereinhalb Minuten Stille, die allerdings alles andere sind als still. »4’33« fokussiert eine Stille, die man aushalten muss. Atmend, räuspernd, auf dem Stuhl umherrutschend, sich an Musik erinnernd, den Einkaufszettel durchgehend – so oder so, dieses Werk wirft das Publikum komplett auf sich selbst zurück.
-
- So 02.11.2025
- 19.30 Uhr
Diese Veranstaltung liegt in der Vergangenheit!
Für Neugierige
SLOW Finale – Hugo Ticciati & O/Modernt Chamber Orchestra
Echoes and Transformations – Slow Music Performance
- Mitwirkende
- Mitwirkende
- O/Modernt Chamber Orchestra
- Hugo Ticciati Violine
- Programm
- Programm
- Hildegard von Bingen »Vos flores rosarum« (Fassung von Johannes Marmén)
- Žibuoklė Martinaitytė »Ekaggata« für Violine und Streichorchester (Deutsche Erstaufführung)
- Franz Schubert ›Der Doppelgänger‹ aus »Schwanengesang« D 957 (Fassung für Violoncelli und Kontrabässe)
- Dobrinka Tabakova »Fantasy Homage to Schubert«
- Philip Glass Movement III aus Sinfonie Nr. 3
- John Cage »4’33«
- Pēteris Vasks »The fruit of silence«
- John Lennon, Paul McCartney »Across the universe« (Zugabe)
Diese Wechselwirkung zwischen der eigenen Wahrnehmung und Präsenz und der Umwelt, die uns umgibt, zelebriert ein SLOW Walk durch die Stadt: Nur fünf Meter pro Minute geht es voran, die Teilnehmenden erleben dabei Friedensplatz, Petrikirche, Westenhellweg und sich selbst in der Innenstadt ganz neu, die Geräusche, die Farben – das Gehen wandelt sich zu einer bewussten Erfahrung, bedächtig, meditativ, tänzerisch. Auch im Konzerthaus selbst werden während des Festivals Räume eingerichtet, in denen das Publikum bewusste Ruhe erfahren kann, ob in geführten Meditationen, beim Reiskörnerzählen oder einfach nur in Stille. Über den gesamten Festivalzeitraum entsteht begleitend ein Sandmandala – die meditative Kunst buddhistischer Mönche –, das am Ende öffentlich aufgelöst wird.
-
- So 02.11.2025
- 11.00 Uhr
Diese Veranstaltung liegt in der Vergangenheit!
Für Neugierige
SLOW Walk – Achtsame Sternwanderung zum Konzerthaus Dortmund
»My walking is my dancing« von Anne Teresa De Keersmaeker
- Mitwirkende
- Mitwirkende
- Sandy Williams Tanz
- Studierende der P.A.R.T.S. School for contemporary dance
- Anna Teresa de Keersmaeker Konzeption, Choreografie
Bei der SLOW Night in der Petrikirche spielt derweil die ganze Nacht Musik. Bis in die Morgenstunden hinein verschwimmen Orgelklänge, gesprochene Worte und Gesänge in der einmaligen Akustik des mittelalterlichen Raums. Die Besucherinnen und Besucher können die Stunden frei gestalten – sie können umherwandern, liegen oder sitzen, sie können essen und trinken, sogar dösen und schlafen. Neben der Musik wird hier auch die lange Nacht an sich bewusst wahrgenommen, die ungewohnte Atmosphäre, der eigene Körper und Geist im Stadium zwischen Konzert und Couch, zwischen wach und schlafend, zwischen sozialer und privater Umgebung.
-
- Sa 01.11.2025
- 22.00 Uhr
Diese Veranstaltung liegt in der Vergangenheit!
Für Neugierige
SLOW Night – Musikalische Nachtwache in der Petrikirche
Durch die Nacht mit dem Vokalensemble Cantando Admont
- Mitwirkende
- Mitwirkende
- Cantando Admont
- Elina Viluma-Helling Sopran
- Feride Büyükdenktas Heuser Alt
- Hugo Paulsson Stove Tenor
- Thomas Köll Tenor
- Ulfried Staber Bariton
- Cordula Bürgi Konzept, Dramaturgie
- Wolfgang Kogert Orgel
- Programm
- Programm
- Orlando di Lasso »Prophetiae Sibyllarum«
- Younghi Pagh-Paan »ma-am« (»Mein Herz«)
- Klaus Lang »Die Wimpern des himbeerfarbenen Mondes«
- Tomás Luis de Victoria »Taedet animam mea«
- Annette Schmucki »j&b« für Tenor und Plattenspieler
- Karlheinz Essl »Partikel-Bewegungen«
- Jan Pieterszoon Sweelinck »Miserere mei, Domine«
- Roman Haubenstock-Ramati »Sonans« für Vokalensemble
- Sofia Gubaidulina »Aus den Visionen der Hildegard von Bingen« für Alt solo
- Jan Pieterszoon Sweelinck »Dolcissimo ben mio«
- Johannes Ciconia »Le ray au soleyl«
- Christoph Herndler »The big wave« nach »Kaijō no Fuji« von Katsushika Hokusai (Uraufführung)
- Johann Christoph Bach »Es ist nun aus mit meinem Leben«
- Klaus Lang »athirst against the light« für Gesang und Orgel
- Johann Sebastian Bach ›Erbarme dich, mein Gott‹ aus Passio secundum Matthaeum (Matthäus-Passion) BWV 244
- Klaus Lang »a summer wish«
- Johann Sebastian Bach »O Jesu Christ, meins Lebens Licht« Kantate BWV 118
- Klaus Lang »Abd« Tryptichon für Orgel
- Klaus Lang »the ugly house«
- Klaus Lang »cantica christinae. II – confluents«
- Klaus Lang »marias mantel« für Orgel
- John Cage »ORGAN²/ASLSP«
- Felix Mendelssohn Bartholdy ›Wachet auf, ruft uns die Stimme‹ aus »Paulus« Oratorium op. 36
- Felix Mendelssohn Bartholdy ›Wie schön leuchtet der Morgenstern‹ aus »Christus« op. 97
- Johann Sebastian Bach Choralvorspiel »Nun komm, der Heiden Heiland« BWV 599
- Johann Sebastian Bach Choralvorspiel »Der Tag, der ist so freudenreich« BWV 605
- Johann Sebastian Bach Choralvorspiel »Christum wir sollen loben schon« BWV 611
- Johann Sebastian Bach Choralvorspiel »Das alte Jahr vergangen ist« BWV 614
- Johann Sebastian Bach Choralvorspiel »Alle Menschen müssen sterben« BWV 643
- Johannes Brahms ›Mit Fried und Freud ich fahr dahin‹ aus »Warum ist das Licht gegeben« op. 74 Nr. 1
- Felix Mendelssohn Bartholdy ›O Jesu Christe, wahres Licht‹ aus »Paulus« Oratorium op. 36
- Johannes Brahms »Sankt Raphael« WoO 34 Nr. 7
- Felix Mendelssohn Bartholdy »Verleih uns Frieden« WoO 5
»Wo sind sie, die faulen Burschen der Volkslieder, diese Vagabunden, die gemächlich von einer Mühle zur andern zogen und unter freiem Himmel schliefen?«, fragt Milan Kundera in »Die Langsamkeit«. Es gibt ein tschechisches Sprichwort, schreibt der Autor, das den Müßiggang mit einer Metapher beschreibt: »Sie schauen dem lieben Gott ins Fenster. Wer dem lieben Gott ins Fenster schaut, langweilt sich nicht; er ist glücklich.«
Text: Hannah Schmidt
Loading...Fehler
Fehlertext
Impressum
Herausgeber
Konzerthaus Dortmund GmbH
Brückstraße 21
44135 DortmundT 0231 – 22 696 0
info@konzerthaus-dortmund.deTelefonservice
T 0231 – 22 696 200
Mo bis Fr 10.00 bis 18.30 Uhr
Sa 11.00 bis 15.00 UhrRegistereintrag
Amtsgericht Dortmund, HRB 10345
Geschäftsführer: Dr. Raphael von Hoensbroech
Aufsichtsratsvorsitz: Barbara Brunsing
USt-IdNr.: DE153301398Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Dr. Raphael von Hoensbroech
Konzeption
Anne-Katrin Röhm (Leiterin Kommunikation, Marketing & Vertrieb)
Katharina Dröge, Judith Meyer, Stefan Laaß, Teresa Saxe
Kreation, Web-Design und Programmierung
giraffentoast design gmbh
www.giraffentoast.comUrheberrechte
Alle Rechte vorbehalten. Sämtliche Inhalte, Texte, Bilder, Grafiken, Audio- und Videofiles auf den Websites der Konzerthaus Dortmund GmbH unterliegen dem Schutz des Urheberrechtes. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung, liegen bei der Konzerthaus Dortmund GmbH. Einige Inhalte unterliegen außerdem dem Copyright Dritter. Der Inhalt dieser Seite darf nur mit schriftlicher Genehmigung reproduziert und verbreitet werden. Ausgenommen davon sind die Verwendung des unveränderten Inhalts zu persönlichen und nicht-kommerziellen Zwecken.
Haftung
Die Inhalte der Websites der Konzerthaus Dortmund GmbH wurden mit größtmöglicher Sorgfalt zusammengestellt. Trotzdem kann die Konzerthaus Dortmund GmbH für Fehlerfreiheit und Genauigkeit der enthaltenen Informationen nicht garantieren. Alle Angaben stellen die zum Zeitpunkt der Publikation jeweils neuesten Informationen dar. Eine Haftung für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten ist ausgeschlossen.
Die Konzerthaus Dortmund GmbH haftet ebenfalls nicht für die Inhalte externer Links. Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich deren Betreiber verantwortlich.
Die Konzerthaus Dortmund GmbH haftet nicht für technische Ausfälle sowie für Ausfälle, die außerhalb des Einflussbereiches der Konzerthaus Dortmund GmbH liegen.
Datenschutz