Konzerthaus Dortmund

Musikalischer Lichtblick

»So viel Licht« titelte die Presse nach dem letzten Konzert von Sol Gabetta im Konzerthaus Dortmund. Und das hatte nicht nur eine symbolische Bedeutung: Zum einen bedeutet der Vorname der weltbekannten Schweizer Cellistin schlichtweg »Sonne«, zum anderen war es das Konzert zur Eröffnung der neuen Saison 2021/22 nach coronabedingten Schließungen – ein Lichtblick also in gleich mehrfacher Hinsicht.

Zum Saisonauftakt 2021 spielte Sol Gabetta das zweite Konzert für Violoncello und Orchester von Dmitri Schostakowitsch, ein dramatisches Meisterwerk des späten Schostakowitsch. Wenn sie im November nach Dortmund zurückkehrt, steht sein erstes Cellokonzert auf dem Programm – sieben Jahre früher entstanden und ein völlig andersartiges Werk. Komponiert wurde das Konzert in einer Zeit, in der das Erbe Josef Stalins Dank einer Tauwetter-Periode langsam überwunden wurde. Das bedeutete auch für Schostakowitschs gewisse Erleichterungen. Zuvor waren viele seiner Kompositionen als »volksfremd und formalistisch« gebrandmarkt worden, ein Aufführungsverbot schwebte permanent wie ein Damoklesschwert über dem Schaffen des Komponisten. Das erste Cellokonzert gilt als Teil der musikalischen Abrechnung Schostakowitschs mit Stalin.

Sol Gabetta begleitet dieses Stück schon lange. Vor zehn Jahren hat sie es für Sony aufgenommen und wurde dafür mit einem »Echo Klassik« ausgezeichnet. »Wie Gabetta etwa ihren ausdrucksvoll schwermütigen Part im Moderato endlos weit auszuspannen versteht, wie sie danach in der Cadenza ihr Violoncello ganz allein mit beklemmender Unmittelbarkeit zum Sprachrohr für eine verwundete Seele macht – das ist phänomenal. Im letzten Satz führt sie dann den bitteren Totentanz des Orchesters mit großem, intensivem Ton und ungehemmter Virtuosität an. Hier ist eine große Künstlerin am Werk«, schrieb damals die Zeitschrift »Rondo«. Derzeit spielt die international gefragte Cellistin im Übrigen rund 80 Konzerte im Jahr, vor Corona waren es 120.

Im deutschsprachigen Raum ist die Cellistin Sol Gabetta auch als Moderatorin der Musiksendung »KlickKlack« im Bayerischen Fernsehen bekannt, die sie im Wechsel mit dem Schlagzeuger Martin Grubinger präsentiert. Ihre klassische Musikkarriere begann jedoch schon viel früher. Heute ist sie ein Weltstar, ein Weltstar, der sich stets treu geblieben ist. Ihr warmer, manchmal emotionaler und virtuoser Klang sowie ihre unprätentiöse Art haben Sol Gabetta weltweit Bewunderer eingebracht. Geboren wurde sie 1981 in der argentinischen Stadt Cordoba als Tochter französisch-russischer Eltern. Seit einigen Jahren hat sie auch einen schweizerischen Pass. Zusammen mit ihrem Bruder, dem Geiger Andrés Gabetta, hat die Cellistin somit einen ziemlich internationalen Hintergrund.

Musikalisch geprägt wurde sie insbesondere von zwei Lehrern: Ivan Monighetti und David Geringas. Monighetti habe ihr geholfen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und ein ausgeglichenes Leben zu führen und Geringas, sagte sie einmal in einem Interview, habe ihr nicht beigebracht, wie man Cello spielt, sondern wie man das entwickelt, was ohnehin in einem steckt. Das habe sie sehr beeindruckt und daran erinnert, wie wichtig es sei, sich als Person weiterzuentwickeln und ehrlich zu sein. Und neugierig, möchte man hinzufügen, denn das ist Gabetta zweifellos auch. Sie ist ständig im Dialog mit sich und der Welt, präsentiert Musik nicht nur im Fernsehen, sondern entdeckt auch neue Werke, bringt sie zur Uraufführung und leitet ein Festival. Das »Solsberg Festival« an ihrem Wohnort Olsberg in der Schweiz hat sich zu einem Mekka der Kammermusik-Fans entwickelt, nicht zuletzt, weil Gabetta nicht nur eine ausgezeichnete Musikerin, sondern auch eine charmante Gastgeberin ist.

Diese Rolle nimmt sie auch bei dem neuen »Presenza«-Festival in Lugano ein, mit dem sie neue Konzerterlebnisse für Musiker und Publikum schaffen will. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem Cellisten und Restaurator Balthazar Soulier, hat Gabetta hier ein Klassikevent aus der Taufe gehoben, das den im Hamsterrad des Tourneebetriebs gefangenen Musikerinnen und Musikern wieder mehr Einfluss auf das Konzertgeschehen ermöglicht und Konzertbesuchern neue Eindrücke beschert. Der Charakter des Festivals ist bewusst experimentell, die Programmgestaltung offen.

Klaus Mäkelä © Marco Borggreve

Bei ihrem Dortmunder Konzert wird mit Klaus Mäkelä ein neuer Stern am Dirigentenhimmel am Pult des Oslo Philharmonic Orchestra stehen. Dass er selbst Cellist ist, bietet ideale Voraussetzungen für eine musikalische Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Und im Juni kann man Sol Gabetta dann noch einmal im Konzerthaus Dortmund erleben, zusammen mit der Geigerin Isabelle Faust und dem Pianisten Kristian Bezuidenhout. Auf dem Programm steht mit dem Tripelkonzert von Ludwig van Beethoven das Beste aus zwei musikalischen Welten: der Kammermusik und dem Solokonzert. Da kann sie dann den Ton ihres Cellos, den sie einmal als »ehrlich, warm, schön und persönlich« beschrieben hat, voll auskosten. Das heißt im Übrigen »Herr Gabetta«, fast so, als wenn sich das Instrument entwickelt hätte und zu einer Person geworden wäre. Samt Seele und Persönlichkeit.

    • Fr 18.11.2022
    • 20.00 Uhr

    Orchesterkonzert

    Sol Gabetta & Oslo Philharmonic