Mit der Energie der Sonne
Cellistin Sol Gabetta bringt als Curating Artist ihre ganze Kreativität und Power in die Gestaltung einer Festival-Woche im Konzerthaus ein.

Unser Konzertsaal ist bekannt für seinen schönen Sternenhimmel. Doch im Frühjahr 2026 wird darin eine Woche lang die Sonne scheinen, denn unsere Curating Artist 2025/26 trägt sie buchstäblich im Namen: Sol Gabetta. Und wer die Cellistin schon einmal erlebt hat – auf der Bühne oder als Moderatorin der Sendung »KlickKlack« im BR-Fernsehen –, wird nachempfinden können, wie zutreffend dieser Name ist. Die gebürtige Argentinierin sprüht vor Energie und hat eine charismatische Aura, die sie in der Musik ebenso wie im Gespräch vermittelt. Genau diese Energie schenkt sie in der Spielzeit 2025/26 einer Festival-Woche im Konzerthaus Dortmund.
Als Curating Artist darf sie musikalische Herzensprojekte realisieren, dem Dortmunder Publikum langjährige Weggefährtinnen und -gefährten sowie neue Freundinnen und Freunde vorstellen, selbst auf der Bühne stehen und sie anderen bereiten. Den Auftakt zum Festival macht sie mit Geigerin Patricia Kopatchinskaja, mit der sie seit vielen Jahren eine Freundschaft verbindet. Die beiden kennen sich auf und abseits der Bühne und trauen sich, zusammen volles Risiko zu gehen. In ihrem Duo-Recital durchqueren sie dann auch gleich mal alle Epochen vom Barock bis zur Gegenwart mit Werken von Bach bis Kopatchinskaja (die Geigerin komponiert auch selbst!).
»Das Leben ist kurz. Wenn man nichts riskiert, lebt man ein sehr langweiliges Leben.« Patricia Kopatchinskaja

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, an diesem Abend zu erleben, dass das Publikum kollektiv gebannt ist und alle Teil eines einmaligen Erlebnisses werden: Momente also, nach denen Sol Gabetta in ihrem Künstlerleben stets sucht, die aber keineswegs an der Tagesordnung sind.
Für solche Glücksmomente hat die jugendliche Sol Gabetta damals bis zu 14 Stunden am Tag geübt. Heute ist sie nicht nur weltweit gefeierte Solistin, sondern auch Mutter – und Zeit ein kostbares Gut, über das sie sorgfältig verfügt. Bei »nur« noch 80 Konzerten im Jahr wählt sie ihre musikalischen Partnerinnen und Partner sowie Programme mit Bedacht. Dabei bleibt sie jedoch stets offen für Neues, und so ist es ihr auch ein besonderes Anliegen, jungen Musikerinnen und Musikern Türen zu öffnen und sie auf verschiedene Weisen zu unterstützen – als Lehrerin, Mentorin, bei der Suche nach dem richtigen Instrument, durch gemeinsame Auftrittsgelegenheiten…
»Mir ist es wichtig, der jüngeren Generation eine Plattform zu geben, ihr zu helfen, weil ich jetzt dazu in der Lage bin.« Sol Gabetta

In Dortmund zeigt sie diese Seite ihrer Persönlichkeit sowohl in einer öffentlichen Masterclass als auch in einem gemeinsamen Abend mit vier jungen Musikerinnen und Musikern: In der Besetzung Geige, Cello, Klavier und Perkussion erkunden sie Solo-, Duo- und Trioliteratur.
Wegbereiterin für andere zu sein, eint Sol Gabetta mit einer weiteren wichtigen Figur innerhalb dieses Festivals: Lise Cristiani. Auch die wird Sol mit nach Dortmund bringen – jedoch nicht in persona, sondern im übertragenen Sinn: Lise Cristiani war eine Pionierin des frühen 19. Jahrhunderts, die es als eine der ersten auf dem bis dahin für Frauen als unschicklich geltenden Cello zur Virtuosin brachte und das Publikum in ganz Europa ebenso wie Komponisten ihrer Zeit beeindruckte. Darunter Felix Mendelssohn Bartholdy, der ihr ein »Lied ohne Worte« widmete und gemeinsam mit ihr musizierte. Sol Gabetta erweist ihre Verehrung für Cristiani, wenn sie in die Rolle der leider jung verstorbenen Musikerin schlüpft, um mit einem Kammerorchester Repertoire und Aufbruchstimmung von Cristianis Konzerten wieder aufleben zu lassen.
Weil aber auch ein Energiebündel wie Sol Gabetta während einer solchen Festival-Woche nicht täglich auf der Bühne stehen kann, überlässt sie das Konzerthaus an zwei Abenden Menschen, die ihr persönlich und musikalisch sehr nahe stehen: dem Pianisten Bertrand Chamayou, mit dem sie eine persönliche Freundschaft verband, bevor daraus auch eine musikalische Partnerschaft wurde, und ihrem Bruder Andrés, der Geiger ist. Letzterer geht gemeinsam mit dem Barockensemble Gabetta Consort und dem Bandoneon-Spieler Mario Stefano Pietrodarchi auf eine musikalische Reise in Gabettas Heimatland Argentinien und bringt von dort den Tango nach Dortmund.
Doch natürlich kann Sol Gabettas Festival nicht ohne große Cellokonzerte mit Orchester verstreichen. Zunächst widmet sich Gabetta gemeinsam mit dem Tonhalle-Orchester Zürich dem Cellokonzert des Franzosen Édouard Lalo. Das spätromantische Konzert vergleicht die Solistin selbst mit einer Oper, in der das Cello wie ein virtuoser Belcanto-Sänger auftritt. Und schließlich steht als krönender Abschluss des Festivals Sol Gabetta & Friends Elgars Cellokonzert auf dem Programm, das Solistinnen und Solisten so viele interpretatorische Möglichkeiten gibt, zu singen und zu weinen. Hier wird Sol Gabettas einzigartig warmer und zugleich kraftvoller Ton seine volle Wirkung entfalten können und das Publikum ein weiteres Mal die Sonne aufgehen hören.