Konzerthaus Dortmund

The Joy(ce) of Singing

»We’re not in Kansas anymore« – dieses im Englischen zum Sprichwort gewordene Zitat aus dem Kultfilm »Der Zauberer von Oz« gilt auch für die Laufbahn unserer Curating Artist der Saison 2024/25: Joyce DiDonato, Mezzosopranistin aus Prairie Village in Kansas, hat ihre Komfortzone verlassen, als sie mit Ende 20 beschloss, doch nicht High-School-Musiklehrerin zu werden, sondern eine Karriere als Opernsängerin anzustreben. Dass das in den Anfangsjahren kein Selbstläufer war, beeinflusst ihre Einstellung zu ihrer Kunst bis heute.

»Eines der größten Geschenke, das Sie sich selbst machen können, ist die Entscheidung, sich ohne Umschweife auf den WEG zu konzentrieren und nicht auf das Ergebnis.«

Joyce DiDonato

Im März 2025 übernimmt Joyce DiDonato als international gefeierte Operndiva die künstlerische Gestaltung einer ganzen Woche im Konzerthaus Dortmund. Ganz wörtlich erhebt sich ihre Solostimme »In the beginning« des Festivals Joyce DiDonato & Friends aus dem Nichts. Doch dann kommt sofort DiDonatos Leidenschaft für die Kommunikation mit und über Musik ins Spiel, wenn die Sängerin und der Meister aller Mitsingkonzerte, Simon Halsey, auch das Publikum mit einbeziehen und sich in unserem für Gesang wie gemachten Konzertsaal hunderte Stimmen vereinen. Gemeinsam wagen sich alle an Melodien u. a. von Jonathan Dove, Aaron Copland und John Rutter und erfahren so die unmittelbare Kraft der eigenen Stimme als Bestandteil eines großen Ganzen.

Joyce DiDonato © Sergi Jasanada

Der Gedanke, Menschen eine Stimme zu geben, ist überhaupt ein zentraler in Joyce DiDonatos kreativen Projekten. Bei ihrem CD- und Tour-Programm »Eden« war nicht nur jedem Konzertprogramm ein buchstäblicher Samen beigelegt, den Konzertbesucherinnen und -besucher im heimischen Garten anpflanzen können, sondern auch der Wunsch angelegt, einen bildlichen Samen zu säen – insbesondere bei den lokalen Kinderchören, die an jedem Aufführungsort Teil des Projekts sind: »Ein großer Teil dieses Projekts besteht darin, in Kindern Musik zu säen. Ich kenne nicht viele effektivere Möglichkeiten, Kinder zu begeistern und zu stärken als Chormusik.«

Aus einem anderen Samen, den DiDonato mit »Eden« gepflanzt hat, wächst in Dortmund ein neuer Baum: Rachel Portman erweitert im Auftrag DiDonatos und des Konzerthaus Dortmund ihren lyrischen Song ›The first morning of the world‹ zu einem Liederzyklus, der im Rahmen des Festivals uraufgeführt wird. Das Werk der vorrangig als Filmkomponistin bekannten Rachel Portman evoziert mit seinen Klängen die nährende und ruhige Seite der Natur.

Joyce DiDonato © Sergi Jasanada

Was, wie DiDonato selbst sagt, wie der naive Versuch aussehen mag, gegen den Klimawandel als eine der großen Krisen unserer Zeit anzusingen, ist tatsächlich eine der Stärken der Sängerin: »Ich bin im Grunde ein optimistischer Mensch, und ich glaube, meine größte Stärke ist es, den Menschen Hoffnung zu vermitteln angesichts schlimmer Situationen.« In eine positive Grundstimmung möchte DiDonato Besucherinnen und Besucher auch in einem Wellness-Konzert versetzen, bei dem es nicht darum geht, Musik intellektuell zu durchdringen, sondern sie einfach auf Körper und Geist wirken zu lassen. Dazu darf man auf der Bühne seine Yogamatte ausrollen, auf Sitzsäcken Platz nehmen, die Schuhe ausziehen und es sich ganz individuell bequem machen, während Joyce DiDonato durch die Musik führt.

Ihren optimistischen Spirit spüren auch junge Talente, die die Chance bekommen, mit DiDonato zu arbeiten. Als vor Positivität sprühende, den Menschen zugewandte und konstruktive Dozentin, die Studierenden wirkliche Impulse zu vermitteln weiß, wird man sie auch im Konzerthaus in einer öffentlichen Masterclass erleben können. 

Joyce DiDonato, die Musikvermittlerin, Aktivistin, Geschichtenerzählerin zeigt sich außerdem in einem Liederabend, in dem die Operndarstellerin szenisch auf Schuberts »Winterreise« blickt und sich fragt, was eigentlich aus der Frau geworden ist, die der Wanderer in der »Winterreise« zurückließ. Ihre Perspektive nimmt sie ein, wenn sie auch in Dortmund mit Maxim Emelyanychev am Klavier Schuberts berühmten Liederzyklus als Tagebuch eines verlassenen Liebhabers deutet, das dieser als Abschiedsbrief an seine ehemalige Geliebte schickte.

»Ein wahres Meisterwerk zeichnet sich vielleicht dadurch aus, dass es dazu einlädt, in einem neuen Licht erlebt zu werden.« 

Joyce DiDonato über die »Winterreise«

Zum Abschluss des Festivals kehrt Joyce DiDonato zu ihrer selbst erklärten »home base« zurück: der Musik Händels. In seinem Oratorium »Jephtha« leiht sie der Figur der Storgé ihre Stimme und verkörpert damit die Ehefrau des biblischen Titelhelden, die früh Unheil ahnt und vergebens warnt. Doch auch dieses Werk endet versöhnlich und verspricht so ein durch und durch hoffnungsvolles Ende dieses Curating-Artist-Festivals, das als Mitschnitt sogar der Nachwelt erhalten und damit als Feier des Gesangs in unser aller Erinnerung bleiben wird.