Konzerthaus Dortmund

Auf Adlerschwingen

Es ist eines ihrer absoluten Herzensstücke – das Doppelkonzert für Geige und Cello von Brahms. Und auch mit ihrem langjährigen Musikerfreund Maximilian Hornung hat die georgische Weltklasseviolinistin Lisa Batiashvili das Werk schon oft gespielt. Mit dem Netherlands Philharmonic Orchestra unter Lorenzo Viotti verschmelzen beide nun einmal mehr zu einem Streichinstrument im XL-Format.

Es ist ja nicht so, dass Lisa Batiashvili nicht schon früh begeisterte Komplimente ausgelöst hätte. Sie war erst 16 Jahre jung, als sie mit ihrem Spiel richtig durchstartete und in Helsinki den schweren wie schwergewichtigen »Sibelius-Violinwettbewerb« gewann. Doch 2001, da war sie 22 Jahre, fühlte sie sich von einer Kritik mehr als nur geschmeichelt. Batiashvili musste sich wohl die Augen reiben, als sie am Ende des Artikels in der »Neuen Zürcher Zeitung« den Namen des Autors las. Es war niemand Geringerer als der Meisterpianist Alfred Brendel, der die Live-Übertragung von einem Auftritt Batiashvilis bei den Londoner »Proms« mit Beethovens Violinkonzert gehört hatte. Und der schriftstellerisch hochbegabte Brendel musste danach über dieses Erlebnis unbedingt berichten. »Jeder Ton sang und sprach«, stand es da schwarz auf weiß. »Fantasie und Kontrolle, Wärme und Überlegenheit, Strenge und Flexibilität hielten sich die Waage.« Und wie fiel Batiashvilis Reaktion auf diesen Lobgesang aus? Sie war nicht nur glücklich, sondern auch ein wenig eingeschüchtert, wie sie später im Gespräch mit der »NZZ« gestand. »Ich habe Brendel einen Brief geschrieben, dass ich nicht weiß, wie und ob ich überhaupt mit der Geige weitermachen kann. Zwei Tage später kam ein ganz verärgerter Brief zurück: ›Was denken Sie sich denn! Sie sind verpflichtet weiterzumachen! Es ist eine Frechheit, aufgeben zu wollen. Wenn man ein bestimmtes Talent bekommen hat, ist damit auch eine Verpflichtung verbunden.‹«

Diese Standpauke sollte sitzen – und entsprechende Folge haben. Denn heute, 20 Jahre später, gehört Lisa Batiashvili nicht einfach zu den international führenden Geigerinnen. Dieses »Teufelsweib mit Engelsflügeln« (O-Ton Brendel) zählt zu jenen Musikerpersönlichkeiten, denen von der brillanten Kurzstrecke über den großen Repertoire-Wurf bis hin zur gemäßigten Moderne alles liegt und wirklich alles gelingt. Schlank und trotzdem beredt ist ihr Ton. Batiashvili beherrscht das Hypervirtuose, ohne zu überdrehen. Und dank ihres wohldosierten Vibratos weiß sie genau zwischen echtem Sentiment und falscher Sentimentalität zu unterscheiden. Was dementsprechend auch ihrem verlockend schönen wie ausdrucksintensiven Melos zugutekommt, mit dem sie als begeisterte Kammermusikerin und vielgefragte Konzertsolistin die unterschiedlichsten Klangwelten erkundet. Mit Daniel Barenboim hat sie die Violinkonzerte von Tschaikowsky und Sibelius aufgenommen. Mit Jazztrompeter Till Brönner feierte sie musikalisch die deutsche Hauptstadt, mit Marlene Dietrichs Ohrwurm »Ich hab noch einen Koffer in Berlin«. Und als gebürtige Georgierin mit Wohnsitz München widmet sie sich selbstverständlich auch den großen Komponisten ihrer Heimat wie Gija Kantscheli.

Für einen Komponisten des 19. Jahrhunderts schlägt Lisa Batiashvilis Herz aber schon lange besonders intensiv. Es ist Johannes Brahms, dessen Musik sie im Alter von elf Jahren zum ersten Mal gehört hatte. »Brahms zuzuhören ist ein bewegendes Erlebnis, aber seine Musik zu spielen bringt eine gewisse innere Spannung und Ausdauer mit sich. Manchmal fühlt man sich wie ein Adler, der einen weiten Blick genießt.« Neben dem Violinkonzert, das sie schon 2012 mit Christian Thielemann bei der Deutschen Grammophon veröffentlicht hat, ist es das Doppelkonzert von Brahms, das sie immer wieder neu erkunden muss. Als eine »achtsaitige Riesengeige« hat das romantische Nordlicht Brahms einmal dieses für Violine und Violoncello komponierte Unikat bezeichnet. »Es ist ein Spiel zwischen Sinfonie, Solokonzert und Kammermusik und daher auch ziemlich knifflig«, so Batiashvili. »Die beiden Solisten sind wie ein kleines Ensemble für sich und gleichzeitig zwei unabhängige Stimmen.«

Bereits 2016 bildete sie mit dem deutschen Cellisten Maximilian Hornung ein erlesenes Mini-Ensemble. Damals begleitete das London Philharmonic Orchestra unter Yannick Nézet-Séguin. Bei ihrem Dortmunder Konzert haben sie jetzt das Netherlands Philharmonic Orchestra unter Lorenzo Viotti zur Seite. Und manchmal braucht es zwischen Lisa Batiashvili und Maximilian Hornung nur ein Lächeln oder ein Augenzwinkern, um ihrem musikalischen Gespräch eine mal mitreißende, mal bewegende Wendung zu geben. Auch ein Alfred Brendel wäre davon unter Garantie mehr als begeistert.

    • So 02.06.2024
    • 16.00 Uhr

    Orchesterkonzert

    Lisa Batiashvili & Maximilian Hornung – Brahms Doppelkonzert

    Lorenzo Viotti dirigiert Dvořák 7. Sinfonie