Konzerthaus Dortmund

Wanted: Hilary Hahn

Eine ganze Woche steht das Konzerthaus der Geigerin Hilary Hahn weit offen: Als Curating Artist der Saison 2023/24 erhält sie gewissermaßen einen Generalschlüssel mit Gestaltungsfreiheit bei Repertoire und Besetzung und zu den Herzen von Team und Publikum.

Wer ist Hilary Hahn? Diese Frage haben sich schon viele gestellt: der Journalist, der in Langzeitdokumentationen ihrem Wesen und Erfolg auf den Grund gehen wollte, Komponistinnen und Komponisten, die ihr Auftragswerke in die Finger geschrieben haben, oder die vielen Fans aller Altersklassen, die ihrem Idol nahe sein möchten. Ein Stück weit ist die Antwort einfach: eine »Grammy«-prämierte Musikerin mit ungeheurer Leidenschaft, Virtuosität, Technik und einer legendären Intonation dank ihres guten Gehörs, das sich schon zeigt, wenn sie nur nebenbei den Konzerthaus-Pausengong analysiert.

»Sie hat eine sehr genaue Intonation und eine fantastische Bogenkontrolle – sie ist so talentiert wie man nur sein kann.« Dirigent Sir Colin Davis über die junge Hilary Hahn

Schon im Plattenschrank des damals noch jugendlichen zukünftigen Intendanten Raphael von Hoensbroech stand Hilary Hahn, und sie wurde mit ihrer Bach-Aufnahme rauf und runter gehört. Die Amerikanerin war einfach schon sehr früh erfolgreich: Nach dem ersten Geigenunterricht mit drei Jahren trat sie als Teenager mit den großen Sinfonieorchestern als Solistin auf und war schon mit 15 Jahren Lorin Maazels »Jahrhunderttalent«.

Doch Hilary Hahn bleibt nicht stehen. Zu ihrem musikalischen Rüstzeug kommen eine große Kommunikationsfähigkeit und ein steter Drang nach vorn, zu neuen Herausforderungen und Projekten – das macht sie so wandel- und wunderbar. In der Arbeit mit Singer-Songwritern, einer Rockband oder an einem Horrorfilm-Soundtrack geht sie aus ihrer Komfortzone heraus und fragt sich jedes Mal, wenn sie zurückkommt: Was hat das mit mir und meinem Kernprogramm gemacht? So bricht sie ihre Routine regelmäßig auf und zeigt sie andererseits ganz offen, um einen Blick hinter die Perfektion zu ermöglichen. Unter dem Handle @violincase hat ihr Geigenkasten in früheren Jahren seine ganz eigene Perspektive in den sozialen Medien geteilt. Inzwischen ist Hilary Hahn selbst mehr ins Bild gerückt. Ihr Projekt »100 days of practice« geht dort schon in die sechste Runde und zeigt ihr tägliches Üben – egal, wo sie gerade ist, egal, wie es ihr gerade geht oder sie aussieht. Da beginnt sie auch schon mal mit einem tiefen Seufzer und langem Überlegen, denn hier geht es nicht um Glam-Shots für Instagram, sondern um echtes Leben und einen Arbeitsprozess.

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Schon früh fasste sie den Vorsatz, niemanden aus dem Publikum nach einem Konzert zu übergehen, sondern jeden zu sehen, zu sprechen und wichtig zu nehmen. Ihre große Sammlung von Fan-Kunst ist Zeuge dieser Einstellung. Fragen stellen und die Antworten wirklich anhören – das ist auch ihre Vorgehensweise in einer Masterclass. Im Konzerthaus sollen dabei alle Alters- und Leistungsklassen vertreten sein, Profis und Laien, Menschen, für die dieser Meisterkurs wirklich eine Veränderung bringt. Sie will mit ihnen gemeinsam die nächste Stufe erreichen, auf welcher Höhe sie sich auch befindet.

»Ich fühle mich mit jungen Musikerinnen und Musikern genauso verbunden wie mit dem Konzertpublikum. Ich war schon von klein auf immer auch selbst Konzertgängerin.« Hilary Hahn

Das Dortmunder Curating-Artist-Festival ist für sie eine ganz neue Erfahrung: »Ich habe noch nie eine ganze Woche programmiert oder organisiert. Mein Ansatz bringt verschiedene Ideen, Themen, Werke und Genres übereinander. Ich möchte viele Leute zusammenbringen, alles fokussiert in diesen acht Tagen.« Natürlich kann man Hilary Hahn erleben, wie man sie kennt, etwa mit den Violinkonzerten von Tschaikowsky und Mendelssohn Bartholdy. Aber es gibt noch viel mehr zu entdecken. So erfüllt das Konzerthaus ihr etwa den Wunsch, eine Chaconne, die sie als Kind in ihrem ersten richtigen Recital gespielt hat, mit der original besetzten Orgel statt wie damals mit Klavier spielen zu können. Wir bringen sie dafür mit Iveta Apkalna zusammen, einer Meisterin an Hahns erklärtem Lieblingsinstrument, der Orgel. Natürlich hat die Geigerin auch selbst Künstlerinnen und Künstler dabei, die für ganz neuen Input im Konzerthaus sorgen. Und sie bringt sie nicht nur mit, sondern auch zusammen: Konzerte in den Formaten Joker, Streichquartett+ und Musik für Freaks sind so offen konzipiert, dass sie und andere Festivalbeteiligte reinschauen und sich beteiligen können. Menschen verbinden durch Musik – dieses Anliegen teilt Hilary Hahn mit dem Konzerthaus und seinem Community-Music-Team. Da gibt die zweifache Mutter unter anderem ein Babykonzert am 5. November, in dem die Erwachsenen Musik genießen können und die Kleinen trotzdem klein sein dürfen. Hilary Hahn fasst ihre Dortmunder Woche zusammen: »It’s gonna be a whirlwind« – Das wird turbulent! Und das Konzerthaus hat seine neue Herzdame gesucht und gefunden.