An die Weltspitze

Das Konzerthaus Dortmund hat seine Wahl getroffen: Sieben angehende Klassikstars wecken die Vorfreude auf eine neue Staffel »Junger Wilder«.

Seit 2006 wählt das Konzerthaus Dortmund alle drei Jahre neue »Junge Wilde« aus: aufstrebende Musikerinnen und Musiker, die sich hier drei Spielzeiten lang austoben dürfen und deren Namen man sich unbedingt merken sollte. Schon viele ehemalige »Junge Wilde« haben Weltkarrieren hingelegt und auch die siebte Staffel ist auf dem besten Weg dorthin. Darunter ist die Cellistin Julia Hagen, die regelmäßig mit den großen Namen der Klassikwelt die Bühne teilt und mit Natürlichkeit, Wärme und Mut zum Risiko begeistert. Die musikalische Begabung ist ihr quasi in die Wiege gelegt: Ihre Mutter ist Bratscherin, ihr Vater gründete mit seinen Geschwistern das berühmte Hagen Quartett. Anfangs war nur der Cellokasten des Vaters fürs Versteckspielen interessant, schnell aber auch das Instrument selbst. Als Fünfjährige begann sie zu spielen, doch erst Enrico Bronzi hat die volle Begeisterung entfacht: »Dank seines Unterrichts wusste ich einfach, dass ich das für den Rest meines Lebens machen will.« 

Julia Hagen © Simon Pauly

»In einer Welt, in der Kluften immer größer werden, ist jedes Konzert eine einmalige Gelegenheit, zusammenzukommen und etwas Neues zu lernen.«

Randall Goosby

Randall Goosby © Kaupo Kikkas

Ähnlich ging es Randall Goosby, der sich als Siebenjähriger in die Geige verliebte: »Ich habe einfach stundenlang gespielt. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, die Geige weggelegt zu haben.« Das viele Üben hat sich gelohnt: Bereits mit 13 Jahren gab er sein Debüt beim New York Philharmonic; heute, mit 27, beeindruckt er weltweit mit »exquisitem Klang und schierer Virtuosität« (»New York Times«) sowie seinem Engagement, Schwarzen Komponistinnen und Komponisten mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Auch abseits der Bühne will Goosby eine Inspiration vor allem für junge Menschen sein, damit sie genauso erfahren: Musik kann das ganze Leben verändern.

Etwas verändern will auch Lucie Horsch, die erste Blockflötistin in der Riege »Junger Wilder«, die ihr Instrument aus seinem Schattendasein holt und mit Vorurteilen aufräumt. Viele belächeln die Blockflöte als Anfängerinstrument, doch was sie nicht wissen: Einen Ton aus ihr herauszubekommen ist nicht schwer, ihn schön klingen zu lassen dagegen sehr! Mehr als 500 Griffe gibt es; die Niederländerin beherrscht sie natürlich alle, und das auf rund 25 verschiedenen Blockflöten in allen Stimmlagen. Damit ist sie bestens ausgerüstet, um zu beweisen, dass die Blockflöte immer für eine Überraschung gut ist.

»Die Blockflöte ist eines der direktesten und reinsten Instrumente, die es gibt. […] Die scheinbare Einfachheit des Instruments macht es verletzlich und es kann gerade deshalb so ergreifend klingen.«

Lucie Horsch

Lucie Horsch © Dana van Leuwen

Überrascht wird man vielleicht ebenso, wenn Lucienne Renaudin Vary die Bühne betritt. Das macht die Trompeterin nämlich vorzugsweise barfuß, und dann reißt sie nicht nur mit ihrem frischen Spiel, sondern auch mit ihren Tanzbewegungen mit. Beides geht für die 25-Jährige Hand in Hand: »Für mich ist Musik Tanzen und Tanzen ist Musik.« Auch ihr Repertoire ist unkonventionell, Klassik und Jazz liegen ihr gleichermaßen am Herzen. Ihre Lehrer wollten, dass sie sich für ein Genre entscheidet, doch sie weigerte sich: »Das bin ich!« Ihre frühen Erfolge wie die Auszeichnung mit einem »Opus Klassik« geben der Französin Recht.

Einen »Opus Klassik« als »Sängerin des Jahres« hat auch Lea Desandre im Regal stehen. Die »New York Times« schwärmt etwa: »Lea Desandre erweckt alles, was sie anfasst, zu Leben und Schönheit.« Die Bühnen weltweit reißen sich um die Mezzosopranistin, zuletzt wurde sie in Salzburg als Cherubino gefeiert. Dabei wollte sie eigentlich Tänzerin werden. Eher zufällig wurde ihr Talent von einer Lehrerin entdeckt und gefördert. Schließlich musste sie sich entscheiden: Tanz- oder Gesangslaufbahn? Ein Auftritt der Sopranistin Natalie Dessay machte die Entscheidung leicht, zeigte er ihr doch, wie wunderbar Singen und Bewegung sich auf der Bühne vereinen lassen.

© Oliver Hitzegrad

Bei Timothy Ridout war es andersherum: Als Kind hat er leidenschaftlich gesungen. Erst mit dem Stimmbruch wurde die Bratsche erste Wahl, um sich musikalisch auszudrücken. Ihr sonorer Klang fasziniert ihn, seit einer seiner Lehrer auf ihr die Titelmelodie aus »Harry Potter« spielte. Mit 12 Jahren begann er, sich auf die Bratsche zu konzentrieren – relativ spät für eine professionelle Karriere, doch er konnte sich schnell behaupten, ist ein gefragter Kammermusikpartner etwa von Janine Jansen und Isabelle Faust. »Mit wenigen Bogenstrichen hat sich der Brite Timothy Ridout einen Platz im engsten Kreis der großen Bratschisten geschaffen«, bewundert etwa »Le Monde«.

»Sobald seine Finger die Tasten berührten, entfalteten sich Wellen von luftiger Filigranität, wunderschön geformt und vollendet, in fast ununterbrochenen Strömen.«

»New York Times« über Mao Fujita

Vor Lobeshymnen kann sich auch Mao Fujita kaum retten. Mit 25 Jahren ist der Japaner bereits auf den großen Bühnen dieser Welt zu Hause, feiert bei Spitzenorchestern wie dem Royal Concertgebouw Orchestra oder Gewandhausorchester Leipzig ein Debüt nach dem nächsten und wird von der Presse etwa als »Herrscher des Klaviers« (»La Provence«) und »Artikulationswunder« (»NDR Kultur«) gefeiert. Auch das Dortmunder Publikum hat der Pianist schon hingerissen, als er bei der Saisoneröffnung 2022/23 fulminant für Yuja Wang einsprang und Vorfreude auf viele weitere Auftritte im Konzerthaus Dortmund weckte.