Meister Hora, der Mann mit dem silberweißen Zopf, der goldumrandeten Allsicht-Brille und den blauseidenen Kniebundhosen aus Michael Endes berühmtem Buch »Momo«, ist der Verwalter und Hüter der Zeit. Und er muss einfach der beste Freund von Pinchas Zukerman zu sein. Wie sonst ist es zu erklären, dass dieser Mann, der schon in der Ära von Isaac Stern, Jascha Heifetz und David Oistrach gespielt hat, immer noch auf der Bühne steht? Dass er spielt, mit einem Vibrato und einem vollen, schwärmerischen Ton, als ob er Mitte Zwanzig ist. Und nicht Mitte Siebzig.
Pinchas Zukerman ist der lebende Beweis dafür, dass Alter relativ sein kann. Er betritt heute die Bühne mit dem gleichen Lächeln, mit dem er selbstbewusst und furchtlos in den 1960er-Jahren neben dem großen Isaac Stern stand und geigte, dass allen Anwesenden die Spucke wegblieb. Damals war er knapp 13 Jahre alt.
Pinchas Zukerman beim Spielen zuzuschauen, schrieb einmal ein Journalist, erwecke den trügerischen Eindruck, dass Geige zu spielen gar nicht so schwierig sei. Dabei ist es natürlich unfassbar schwierig – für die meisten von uns. »Ich war so unglaublich arrogant!«, erzählte der Musiker in einem Interview. »Aber ich hatte wohl allen Grund dazu. Mir wurde eingetrichtert, dass ich gut sei, und natürlich fängt man nach einer Weile an, daran zu glauben. Mir fehlte die emotionale Reife, um zu wissen, dass ich noch so viel lernen musste.«
Zukerman wurde am 16. Juli 1948 in Tel Aviv geboren, seine Eltern hatten das Warschauer Ghetto und Auschwitz überlebt. Der Vater gab dem Sohn Klarinettenunterricht, weil er selbst spielte, und merkte schnell, wieviel Musikalität in seinem Kind steckte. Der Wechsel zur Geige kam bald, genau wie der Eintritt ins Israelische Konservatorium in Tel Aviv. Als 1961 das erste »Israel Festival« stattfand, das bis heute jährlich die Klassikstars nach Jerusalem bringt, war Pinchas Zukerman natürlich dabei. Gerade 13 Jahre alt geworden und wie er selbst erklärt entsprechend überheblich überzeugte er innerhalb von Sekunden Isaac Stern und Pablo Casals von sich, die für das Festival angereist waren. Die beiden Musiker richteten für den jungen Zukerman einen Stipendienfonds ein, damit er an der New Yorker Juilliard School studieren konnte. Seine Eltern ließen ihn schweren Herzens ziehen.
Und was machte so ein Vorpubertierender ganz allein in New York? Er fing sofort mit dem Rauchen an, trieb sich bis morgens um sieben in den Billardhallen rum – um anschließend in die Juilliard School zum Unterricht zu spazieren. Sein Selbstbewusstsein war unerschütterlich und ist es bis heute. Vermutlich ist sein Auftreten auch der Grund dafür, dass man irgendwie das Gefühl bekommt, Pinchas Zukerman sei schon immer da gewesen. Die sichere Geigenbank, in einer Linie mit den virtuosen Supergeigern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dass Pinchas Zukerman damals noch gar nicht geboren war und er viele dieser Vorbilder gar nicht mehr aktiv erlebte, verwischt manchmal in der Wahrnehmung.
Aber Pinchas Zukerman tut auch viel für die eigene Legendenbildung. Er spielt immer noch, wie er selbst sagt, »wie damals«. Er übt eine Stunde am Tag, mehr braucht er nicht. »Musik ist mein Leben, die Gesamtheit dessen, was ich tue. Ich esse und atme Musik. Es hilft mir in jeder anderen Funktion des Lebens, die Menschen besser zu verstehen, die Politik besser zu verstehen – nicht, dass mir gefällt, was heute passiert, aber ich kann nichts dagegen tun, außer weiterhin Geige zu spielen.«
Mit dieser Einstellung fährt Pinchas Zukerman anscheinend schon sein ganzes Leben lang gut. Er verschwendet keine Gedanken auf historische Aufführungspraxis oder avantgardistische Klang-Experimente. Sein Ziel ist immer der schöne, der tiefe Klang, alles andere findet er absurd. Doch Zukerman kann auch eigene Überzeugungen über Bord werfen. Zum Beispiel die, dass er in seinem Alter keine für ihn neuen Werke mehr lernt. Was er spielen kann, reiche doch. Aber als der Dirigent Lahav Shani ihm von dem Violinkonzert eines Paul Ben-Haim vorschwärmte, das zwar schon über 60 Jahre alt ist, aber viel zu selten gespielt wird, gab Pinchas Zukerman schnell nach. Das an vielen Stellen nach Filmmusik klingende Werk von Ben-Haim, der 1933 von München nach Palästina flüchtete, passt einfach viel zu gut zu Zukermans Vorstellung von Musik. Da rückt Meister Hora gern noch ein paar Portiönchen Zeit heraus, fürs Geigespielen.
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- Mitwirkende
- Mitwirkende
- Bamberger Symphoniker
- Lahav Shani Dirigent
- Pinchas Zukerman Violine
- Bundestagspräsident a. D. Norbert Lammert Redner
- Programm
- Programm
- Franghiz Ali-Zadeh »Overcoming« für Orchester
- Paul Ben-Haim Konzert für Violine und Orchester
- Paul Ben-Haim Berceuse sfaradite (Zugabe)
- – Pause –
- Anton Bruckner Sinfonie Nr. 7 E-Dur
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